Bröckelt die Nato-Allianz im Libyen-Krieg?

von Ingo Hagel

Vor einigen Tagen beschloss Frankreichs Parlament mit großer Mehrheit (482 gegen 27 Stimmen!) die Fortsetzung des Krieges gegen Libyen. Auf der anderen Seite scheint die NATO-Allianz im Libyen-Krieg jedoch zu bröckeln, wie Webster Tarpley berichtet:

„Mittlerweile fällt Norwegen aus dem Luftkrieg heraus, damit fehlen 10 Prozent des gesamten NATO-Einsatzes. Die Niederlande sagen, sie werden weiter fliegen zur Überwachung der Flugverbotszone, aber sie werden keine Bomben werfen. Premierminister Berlusconi von Italien sagt, er würde gerne aus dem Ganzen herauskommen, auch die Liga Nord, die Opposition, drängt ihn dazu.“

Bezeichnenderweise berichteten die großen deutschen Medien darüber nur selektiv beziehungsweise gar nicht. Ich fand nur zwei Meldungen: Die Tagesschau berichtete, dass Norwegen seine Beteiligung am Krieg gegen Libyen herunterfährt und am 1. August 2011 völlig aussteigen wird.

Auch die ZEIT berichtete darüber. Sie meldete auch, dass die Niederlande ihre Beteiligung um drei Monate verlängern würden, verschwieg dabei aber das Wichtigste, dass nämlich auch die F-16 Kampfflugzeuge Hollands nur die Einhaltung der Flugverbotszone überwachen würden, sich jedoch nicht an den Bombardements beteiligen würden (s. zum Beispiel hier, hier und hier).

Leider musste der Premierminister der Niederlande, Mark Rutte, noch bekanntgeben, dass sein Land sich zwar im Moment nicht an den Bombardierungen beteilige, aber nichts gegen diese Einsätze der anderen Parteien habe:

„We are not against air-to-ground bombings, but the Netherlands at the moment is not participating.“

So ist es wenigstens erfreulich dass die Umfrage eines holländischen Institutes ergab, dass mehr als die Hälfte der holländischen Bevölkerung im Gegensatz zu ihrer Regierunggegen die Teilnahme am Libyen-Krieg ist.

Professor Johan Galtung aus Norwegen, der als Pionier der Friedensforschung gilt, wurde gefragt:

„Der Schuldige am libyschen Bürgerkrieg ist ausgemacht. Der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag hat Revolutionsführer Muammar Al-Gaddafi wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagt. Finden Sie das gerechtfertigt?“

Professor Galtung antwortete:

„Es gibt aber ganz andere Kandidaten, die für ein Strafverfahren viel mehr in Frage kämen. Wenn man die Kriegsverbrechen in Rechnung stellt, die von den Invasoren im Irak und in Afghanistan begangen wurden, müssten Ex-US-Präsident George W. Bush und sein Nachfolger Barack Obama als erste auf der Anklagebank sitzen. Der Irak-Krieg hat schließlich über eine Million Menschenleben gekostet. Warum hat man überhaupt Libyen angegriffen und nicht etwa den Jemen oder Bahrain? Auch dort wurden und werden Zivilsten getötet. Da stimmen die Verhältnisse nicht. Deshalb haben sich fünf von 15 Staaten im UN-Sicherheitsrat bei der Libyen-Resolution der Stimme enthalten.“

Der Krieg wird nicht nur militärisch, sondern auch mittels eines Kontenkrieges gegen Libyen geführt:

“Weitestgehend unbeachtet von den Medien hat in den letzten Wochen eine Hand voll Länder libysche Vermögenswerte im Volumen von rund 50 Milliarden Dollar eingefroren. Obgleich die Eigentumsfrage an diesen Vermögenswerte völkerrechtlich umstritten ist, wachsen dies- und jenseits des Atlantik bereits die Begehrlichkeiten. Während man in den USA und der EU noch taktiert, haben einige afrikanische Staaten kurzerhand die Besitztümer des ehemaligen Vorreiters eines politischen und wirtschaftlichen Panafrikanismus still enteignet. Je länger der Bürgerkrieg in Libyen dauert, desto größer wird auch das völkerrechtliche Dilemma rund um das eingefrorene Vermögen.“

Danke für den Hinweis. Aber warum diese Beschönigungen: „völkerrechtlich umstritten“? Es handelt sich doch um Raub!

Der Generalsekretär der NATO Anders Fogh Rassmussen wurde kürzlich zitiert:

„Wir können die Zivilisten nicht effektiv schützen, wenn wir nicht kritische militärische Einheiten am Boden vernichten, die für Angriffe auf Zivilisten benutzt werden können. Dies ist der Grund, warum wir Luftangriffe fliegen.“

So wird gelogen! Denn dass die libysche Bevölkerung voll hinter Gaddafi steht und überhaupt nicht von irgendeiner NATO vor diesem beschützt werden muss, das zeigt der Bericht von Webster Tarpley direkt aus Libyen.

Und so stehen wir vor der traurigen Tatsache, dass dieser „Schutz der Zivilisten“ in Libyen, wie der NATO-Generalsekretär Rassmussen sich ausdrückte, dort mittlerweile offenbar 1108 Zivilisten durch NATO-Bomben das Leben gekostet hat, verursacht durch „15.000  Flugeinsätze und 6.000 Bombardierungen“ der NATO.

 

Was eigentlich in Libyen vorgeht, beschreibt ein Artikel vonJames Tucker. Demnach plant die Bilderberg-Mafia (s. dazu auch hier; Anmerkung IH), „den gesamten Nahen Osten in Flammen aufgehen zu lassen und den Rohölpreis immer weiter in die Höhe zu treiben. US-Verteidigungsminister Gates forderte auf der Bilderberg-Konferenz NATO-Länder wie Deutschland und Polen auf, sich am Libyen-Krieg zu beteiligen.“

Der Chef des US-Geheimdienstes National Security Agency, Keith Alexander, sagte im Hinblick auf Libyen:

„Es muss ein großer Krieg sein, an dem verschiedene Länder beteiligt sind, damit unsere Ziele einer globalen Wirtschaft weiter vorangetrieben werden können. Aber es wird unaufhörlich Druck gemacht, den Krieg in Libyen zu beenden, hauptsächlich wegen diesem verdammten Kucinich.“

Gemeint war der demokratische Abgeordnete des US-Repräsentantenhauses Dennis Kucinich, der einen Gesetzentwurf einbrachte, um die Invasion in Libyen zu beenden. Dieser wurde jedoch abgeschmettert, kurz bevor der Kongress am 03.06. für eine Woche die Arbeit ruhen ließ. Der NSA-Chef führte weiter aus:

„Man braucht ja bloß auf die Stimmen zu schauen, die er bekommen hat [148 Ja-Stimmen]. Das ist gefährlich. Der Kongress könnte die Gelder zur Finanzierung des Krieges kürzen oder sogar streichen, und das obwohl unsere Kämpfer noch nicht einmal damit begonnen haben zu kämpfen.“

Das Ziel der Bilderberger, das Chaos auszuweiten und die Invasion in Libyen in einen riesigen Krieg zu verwandeln, der im ganzen Nahen Osten zu Blutvergießen führt, dürfte nach Auffassung der Konferenzteilnehmer durch ihre Pläne begünstigt werden, die weltweite Rezession auch im Jahre 2012 weiter am Leben zu halten.“

Webster Tarpley berichtet ebenfalls, dass es seit langem eine abgemachte Sache war, Libyen zu überfallen:

„Der Plan geht zurück bis mindestens November letzten Jahres, als der geheime Britisch-Französische Vertrag unterzeichnet wurde, Libyen irgendwann in 2011 zu bombardieren. Die Idee dahinter war, Libyen anzugreifen, auszubeuten, kaputtzumachen und die Italiener von dort zu vertreiben. DIe Idee war, dass Libyen all dieses wunderbaren Reserven an sehr hoch-qualitativem leichtem Rohöl hat, und es besitzt auch den sogenannten menschengemachten Fluss, Gaddafis großes Bewässerungsprojekt, was heißt, es handelt sich um die größte Menge Frischwasser, die in Nord Afrika und im Mittleren Osten verfügbar ist. Dies waren also die zwei Ziele, und so wurde dies dann die Geschichte von Süd-Misrata und die Bombardierungen, die wir nun sehen.“

Möge daher Webster Tarpley mit seiner Prognose eines Kollapses dieses Krieges Recht behalten:

„Aber mittlerweile hat sich die Eurokrise ausgeweitet, und all diese Länder (der NATO; Anmerkung IH) sind mehr und mehr bankrott und haben keine Kraft mehr, Krieg zu führen. Ich denke, die Anstrengungen der NATO sind auf dem Wege zusammenzubrechen, und an diesem Punkt wird der gesamte Krieg zu einem Ende kommen, denn die Rebellen (in Libyen; Anmerkung IH) können einfach nicht weitermachen ohne diese enorme finanzielle, militärische, diplomatische und mediale Unterstützung aus der imperialistischen NATO-Koalition.“

In der Tat könnte ein Ende dieses Eroberungs-Krieges in Sicht sein. Die Seite DEBKAfile schreibt, „dass der Krieg praktisch am Donnerstag Morgen, den 14. Juli endete, als US-Präsident Barack Obama den Russischen Präsidenten Dmitri Medwedew anrief, um Moskau die Führungsrolle für Verhandlungen mit Muammar Gaddafi zum Beenden des Konfliktes zu übertragen – vorausgesetzt nur, der libysche Herrscher tritt für die Errichtung einer Übergangsregierung zurück.“

Auf der anderen Seite sind nach verschiedenen Quellen die Vorbereitungen für eine libysche Bodeninvasion bereits in vollem Gange (s. hier, hier und hier).


Bröckelt die Nato-Allianz im Libyen-Krieg? wurde am 20.07.2011 unter Politik veröffentlicht.

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