Das Ende des Rechtsstaates – Erkenntnisfortschritt nur noch aus dem Schmerz der Not, nicht aus der Einsicht der Menschen möglich? – Vorschläge für ein neues demokratisches System

von Ingo Hagel 

Vor kurzem wies Peter Boehringer hinsichtlich eines endgültigen Urteils des Bundesverfassungsgerichtes zum ESM auf die Verschleppungstaktik des Bundesverfassungsgerichtes hin. Er sieht sich damit in seinen „düsteren Vorahnungen“ bestätigt, dass es diesem Gericht überhaupt nicht um die Wahrung der nationalen Interessen Deutschlands gehe, sondern das Verfahren so lange zu verzögern, bis eine Ablehnung des ESM aus ökonomischen Gründen unmöglich wird. Schon vor einiger Zeit hatte er vermutet:

„Karlsruhe wird Recht beugen und verzögern und damit Billionen-schwere Fakten zu Lasten Deutschlands schaffen.“

Boehringer spricht von „Selektiver Korruption der Eliten“ und ergänzte in einem Kommentar:

“Und natürlich nicht vergessen: dem Vertrauen in den Rechtsstaat selbst! Prof. Schachtschneider spricht vom „Recht auf Recht“, das uns verweigert wird. Neulich hat er das Ende des aufgeklärten und volksnahen Rechtsstaats ja in diesem Interview fast resignierend nochmals auf den Punkt gebracht. Es klingt wie ein Vermächtnis für eine bessere Zeit.“

Boehringers Artikel bestätigt ein weiteres Mal die Beugung des Rechts beziehungsweise den Verlust des Rechtsstaates durch die Regierung sowie die dazugehörigen Cliquen. In diese Richtung arbeiten auch die von Boehringer erwähnten 35 Juristen, die die Entmachtung des Bundesverfassungsgerichtes zugunsten des Europäischen Gerichtshofes fordern. Diesen Ruin des Rechtsstaates habe ich hier auf Umkreis-Online in vielen Beispielen dargestellt (zuletzt s. hier und hier). Das Problem ist, dass diese ganzen Vorgänge auf einer Schwäche der bestehenden sogenannten parlamentarischen Demokratie beruhen: Der Wähler wählt nur einmal in vier Jahren, und dazwischen machen die Politiker, was sie wollen. Aber dieses Verfahren ist rechtens und gemäß dem Grundgesetz. Die Entscheidungsbildung wird eben auf diese oben angeführte krüppelhafte Weise vom „obersten Souverän“, dem Wähler, vollzogen, indem dieser einmal in vier Jahren sein Kreuzchen macht und dazwischen sein Gehirn abgibt an die Politik. Diese ist jedoch mittlerweile auf auffällige Weise korrupt oder unfähig und mit den Interessen der Wirtschaft verfilzt. Dieses System, das rechtsstaatlich genannt wird, es aber längst nicht mehr ist, muss reformiert werden in ein demokratisches Verfahren, dass es zum Beispiel erlaubt, unfähige und korrupte Mandatsträger nicht erst in vier Jahren sondern sofort aus dem Amt zu entfernen und durch fähige und der sozialen Gemeinschaft dienende Menschen zu ersetzen.

Mit Blick auf dieses Demokratiedefizit sind einige Anmerkungen aufschlussreich, die Dirk Müller auf einer Podiumsdiskussion vom 20. Sept. 2012 in der Universität Freiburg zum Thema „Geld, Wachstum, Verschuldung, Finanzchaos – wer blickt noch durch?“ machte.

Er wies auf das Problem von demokratischen Entscheidungsprozessen hin, bei denen die „Dummdödel“ und Uninteressierten in der Mehrzahl sind:

 

Hier erinnert Dirk Müller an die Geschehnisse der Bankenkrise und die Machenschaften der Banken in den letzten Jahren. Diese Ereignisse hätten zu Erkenntnissen führen können bei den Menschen. Was aber stattdessen geschieht, ist, dass in Amerika die Wall Street kurz davor ist, mit Hilfe des Volkes einen ihrer Leute – gemeint ist Mitt Romney – zum Präsidenten zu machen -. Daher zweifelt er auch an dieser Stelle wieder an der Funktionalität der Demokratie.

 

Mit Blick auf die Verhältnisse nicht in den USA sondern im „gesegneten Auenland“ Deutschland siehe:

Es gibt keine Wechselstimmung – Alle Umfragen belegen es: Die Bürger sind mit der Kanzlerin zufrieden

 

Und noch einmal Dirk Müller zu der Frage, wann sich denn diese Machtverhältnisse ändern werden. Er ist der Auffassung, die Macht der Banken ist so groß, dass sie sich nicht mehr mit einer Wahl oder einer Demonstration verändern lässt, die Leute müssen „wirklich auf der Straße sein und vor Wut kotzen, anders werden wir es sich nicht mehr verändern….“

 

Auch Dirk Müller ist wie Rolf Hochhuth der Ansicht, dass sich ein Erkenntnis- und Bewusstseinsfortschritt, der die Kraft zu einem Umsturz des bestehenden Systems in sich birgt, nur aus dem Schmerz der Not ergeben wird, nicht aus der Einsicht der Menschen. Das ist leider sicher richtig. Da ein Umsturz jedoch nur die Garantie für Zerstörung in sich trägt und nicht per se die Impulse und Perspektiven für einen konstruktiven und fruchtbaren Neuanfang, sollte man letztlich nicht auf diesen Umsturz vertrauen. Selbst in einem solchen Falle werden positive Veränderungen des bestehenden politischen Systems nur aus einer rechtzeitigen Bemühung der Menschen um ideelle Lösungen erfolgen. Ohne dass man sich vorher Gedanken gemacht hat um neue soziale Lösungen, werden auch die am Horizont sichtbaren Revolutionen und Umstürze keine Verbesserungen bringen!

Es ist weitgehend belegt, dass die rechtlichen Entscheidungen der Politik immer weniger dem Rechtsbewusstsein der Menschen Deutschlands entsprechen. Die Einführung des Euro und das EU-weite Verbot der Glühbirne sind nur zwei Beispiele für Gesetze, die ganz offensichtlich das Rechtsempfinden der Menschen aus Wirtschaftsinteressen mit Füßen treten.

Bei dem hier Geschilderten handelt es sich jedoch nicht um Volksabstimmungen. Vielmehr wird ein durchlässiger und fließender demokratischer Prozess angeregt, der Cliquenbildung verhindern und schnelle Reaktionsmöglichkeit erlauben soll. Alle Teile einer Gesellschaft, die sich beteiligen wollen, können daran teilnehmen. Die einzelnen Gruppen entsenden die Delegierten, denen sie vertrauen, zu den nächsthöheren Arbeitsgruppen. Aus der menschlichen Gemeinschaft des Volkes könnte somit ein Impuls für einen neuen Parlamentarismus entspringenden.

Viele Menschen halten einen Widerstand gegen „die da oben“ für aussichtslos. Aber wie wäre es denn mit einem solchen neuen parlamentarischen System, in dem nicht sämtliche Entscheidungsbefugnis bei allen Fragen auf allen Gebieten an auf vier Jahre gewählte Politiker abgegeben wird. Denkbar wäre ein demokratisches Verfahren, bei dem sich aus den interessierten und fähigen Menschen der Gesellschaft auf den Ebenen von Stadt, Gemeinde, Region, Land zu den verschiedensten Themen Arbeitsgruppen bilden. Diese entsenden Delegierte mit fest umrissenen Aufträgen in die nächsthöhere Arbeitsgruppe – also zum Beispiel von der regionalen in die Landesarbeitsgruppe usw.. Begonnen werden könnte mit dieser Arbeit und einer sich vernetzenden Gruppenbildung sofort – sozusagen ein Warmlaufen neben dem noch bestehenden alten bankrotten System.

Man kann nicht erwarten, in einer „Demokratie der Zukunft“ würden sämtliche Probleme über Volksabstimmungen geregelt. Das mag in Einzelfällen sicher sinnvoll sein, und diese bedürfen dann einer umfassenden und sorgfältigen Vorbereitung und Information. Ansonsten sind die Probleme innerhalb einer modernen Gesellschaft jedoch zu zahlreich und zu komplex. Man kann nicht – wie man das oft hört – von dem einzelnen Bürger die Kompetenz zu einer Entscheidung schwierigster Themen erwarten. Man erwartet ja auch weder die Reparatur seines Autos noch die seiner Zähne nicht von seinem Nachbarn, sondern man geht zu Fachleuten, die das können und zu denen man Vertrauen hat.

Viele werden sagen, das ist alles nicht zu machen gegen das System, der Widerstand innerhalb desselben ist zu groß. Das mag sein, wenn man eine sofortige Umstellung des gesamten Systems fordert. Oben wurde jedoch gesagt, dass die Veränderung aus dem Schmerz der Not kommen wird. Diese Not wird nicht überall gleichzeitig zuschlagen. Schon jetzt trifft sie nur einzelne Länder besonders hart – zum Beispiel Spanien und Griechenland mit Blick auf eine Jugendarbeitslosigkeit von über 50 Prozent. Auch innerhalb Deutschlands gibt es spezielle Schwerpunkte der sozialen Verwerfungen.

Anmerkung: Man lese zum Beispiel einmal den Bericht über die Verhältnisse in Duisburg im Ruhrgebiet. Diese Stadt hat derartig krasse finanzielle Probleme, dass die Rathausbeschäftigten keine privaten Radios oder Kühlschränke mehr im Büro benutzen dürfen, da diese den Strom der Stadt verbrauchen. – Auch verschiedene entvölkerte Regionen Ostdeutschlands gehören zu diesem Problemkreis der Not.

Diesen Kommunen und Regionen steht das Wasser bis zum Hals. Sie haben nichts zu verlieren und könnten sich aus dieser Not heraus auf neue soziale Modelle einlassen, die den Rechtsstaat wiederherstellen. Somit könnten sich neue Zonen einer keimhaften Veränderung ergeben, von denen hier nur ein kleiner Gesichtspunkt angesprochen wurde.


Das Ende des Rechtsstaates – Erkenntnisfortschritt nur noch aus dem Schmerz der Not, nicht aus der Einsicht der Menschen möglich? – Vorschläge für ein neues demokratisches System wurde am 10.10.2012 unter EU-Diktatur, Finanzkrise, Politik, Soziale Frage veröffentlicht.

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