Rudolf Steiner: Man muss fortwährend die Heilkraft eines selbständigen Geistesleben neben dieses Krankmachende des Wirtschaftslebens hinstellen

 

Aus Nr. 191 der Rudolf Steiner Gesamtausgabe, Seite 115:

Es war gerade meine Aufgabe in diesen drei Tagen, Sie darauf hinzuweisen, wie die Zivilisation der Gegenwart angesehen werden muss mit Bezug auf die mögliche Weiterentwickelung der Menschen. Sehen Sie, unsere Erde als Erde mit alldem, was darauf ist, ist bereits in ihre Verfallsperiode, in ihre Dekadenzperiode eingetreten. Ich habe das auch schon öfters erwähnt, dass selbst einsichtige Geologen dies ja schon verzeichnen. Man kann schon rein äußerlich, physisch nachweisen mit ganz strenger, exakter Geologie, dass die Erde bereits am Zerbrechen ist, dass die aufsteigende Entwickelung der Erde aufgehört hat, dass wir wirklich auf den zerbrechenden Erdschollen herumgehen. So ist aber nicht nur das mineralische Erdreich im Zerbrechen, so ist auch alles das, was organisch auf der Erde herumläuft, schon im Zerbrechen, schon im Zerfall. Auch die Leiber der Pflanzen, der Tiere, der Menschen, sind nicht mehr in aufsteigender Entwickelung, sind im Zerfall. Wir haben nicht mehr die Organisation, die man hatte bis zum 4. nachchristlichen Jahrhundert, oder die man hatte in der Zeit des alten Griechentums. Wir haben eine verfallende Organisation, und mit uns ist die Erde in der Dekadenz. Das Physische der Erde ist in der Dekadenz. Ich habe zum ersten Mal auf diese Erscheinung schon vor vielen Jahren bei einem Vortrag in Bonn aufmerksam gemacht, aber diese Dinge werden gewöhnlich nicht mit dem nötigen Gewichte genommen. Wir sind in brüchigen Leibern, aber das Gegenstück dazu müssen wir auch betrachten: Wir sind zwar in brüchigen Leibern, aber gerade aus unseren brüchigen Leibern entwickelt sich um so mehr die Geistigkeit, wenn wir uns ihr nur hingeben. 

Bei den alten Leibern war es so, wenn ich schematisch zeichnen darf, dass der Leib überall durchdrungen wurde von seiner Geistigkeit, der Leib sog überall die Geistigkeit auf. Heute ist es so, dass unser Leib vielfach brüchig ist. Er ist brüchig, er ist in der Dekadenz, und die Geistigkeit spritzt überall heraus, sie wird überall frei vom Leibe. Wenn wir nur eingehen darauf, so können wir innerlich in der Seele überall die Geistigkeit gerade wegen der Brüchigkeit unserer Leiber erfassen. 

Aber es ist nötig, dass wir uns nicht auf das Physische verlassen, sondern es ist notwendig, dass wir uns zum Geistigen wenden wegen unserer Brüchigkeit. Alles Physische wird brüchig, alles Physische auf der Erde ist schon im Verfall, und man darf nicht mehr auf die Physis hoffen, sondern man kann nur etwas erwarten von dem, was gerade dadurch – wenn ich mich trivial ausdrücken darf – zum Ausspritzen kommt, weil das Physische in Verfall ist: vom Geistig-Seelischen.

Daraus sehen Sie eines ein. Wir hängen durch unsere Leiber zusammen mit den physischen Verhältnissen der Erde, und die Verhältnisse der Erde drücken sich sozial in den Wirtschaftsverhältnissen aus; indem alles brüchig ist, alles in der Dekadenz ist, sind auch in einer gewissen Beziehung die Wirtschaftsverhältnisse in der Dekadenz. Und ein Tor ist heute derjenige, der glaubt, dass man die Wirtschaftsverhältnisse ohne weiteres durch die Wirtschaftsverhältnisse regenerieren kann. Im Grunde genommen ist derjenige, der heute von einem Wirtschaftsparadies auf der Erde träumt durch rein wirtschaftliche Maßnahmen, wie einer, der einen Leichnam vor sich hätte und ihn galvanisieren wollte, ihn wiedererwecken wollte. Nehmen Sie daher all das, was heute an rein wirtschaftlichen Theorien existiert, lassen Sie sich erzählen von den Leuten, wie man das Wirtschaftsleben durch das Wirtschaftsleben einrichten soll nach seinen eigenen Gesetzen, lassen Sie sich erzählen von ihnen, wie man die Produktionsverhältnisse gestalten soll, wie man übergehen soll vom Privateigentum zum Gemeineigentum und so weiter: das alles beruht auf dem falschen Glauben, dass man das Wirtschaftsleben regenerieren könne aus dem Wirtschaftsleben selbst heraus, während die Wahrheit die ist, dass alles Physische auch im Wirtschaftsleben im Verfall ist durch sich selbst. Wenn etwas in Verfall ist durch sich selbst, dann kann es nur immer wieder periodenweise geheilt werden, das heißt, wir brauchen ein Heilmittel für das fortwährend in sich selbst zerfallende Wirtschaftsleben. Das Wirtschaftsleben würde, wenn es sich selbst überlassen wäre, wenn man das aus ihm machte, was Lenin und Trotzkij aus ihm machen wollen, fortwährend zerfallen, fortwährend krank werden. Daher muss auch fortwährend als Gegenpol des Wirtschaftslebens das Heilende da sein: Das ist das ihm gegenüberstehende selbständige Geistesleben. Haben Sie einen Kranken, oder den, der fortwährend krank werden kann, so müssen Sie daneben fortwährend den Arzt haben. Haben Sie das Wirtschaftsleben, das wegen der Erdenentwickelung durch sich selbst fortwährend für den Verfall reif ist, so brauchen Sie dagegen das fortwährende heilende innere Geistesleben. Das ist der innere Zusammenhang. Es hängt mit einer gesunden Kosmogonie zusammen, dass wir ein selbständiges Geistesleben bekommen. Und ohne selbständiges Geistesleben, das eine fortwährende Heilweisheit ist neben dem fortwährend mit der Tendenz zum Verfall ausgerüsteten Wirtschaftsleben, kommt die Menschheit nicht vorwärts. Denn Torheit ist es, das Wirtschaftsleben aus sich selber regenerieren zu wollen. Man muss die Heilkraft in einem selbständigen Geistesleben neben dieses Wirtschaftsleben hinstellen, und beide müssen überbrückt werden durch das neutrale Rechtsleben. Wir kommen gar nicht zum entsprechenden Verständnisse desjenigen, was notwendig ist für die Gegenwart, wenn wir nicht imstande sind, einzusehen, dass das physische Leben der Erde bereits im Verfall ist. Deshalb, weil man das nicht einsieht, gibt es so viele Menschen heute, die glauben, man könne aus dem Wirtschaftsleben selbst allerlei Regenerationsmittel dieses Wirtschaftslebens herauszaubern. Die gibt es nicht. Es gibt allein die Möglichkeit, fortdauernd das Wirtschaftsleben im Gang zu erhalten durch das selbständig danebengestellte Geistesleben. Ganz durchschauen wird diesen geheimnisvollen Zusammenhang unseres Lebens nur derjenige, der ihn eben vom Standpunkte einer wirklich modernen Kosmogonie durchschauen kann. 

Bedenken Sie, wie ernst die Dinge liegen, wie man einsehen muss, dass die Menschen ins Verderben hineinrennen, wenn sie heute noch glauben, das Wirtschaftsleben aus sich selber regenerieren zu können, wenn sie sich nicht bekennen zu dem, was aus dem brüchig-physischen Leben ausspritzt und selbständig werden kann und als fortwährende Heilkraft da sein kann. Die Menschen fragen: Welches sind die Mittel gegen Revolutionen? – Ja, wenn sich so viel in Krisen zusammengehäuft hat an Untergangsimpulsen, als zu einer Revolution notwendig ist, dann kommt die Revolution. Denn Revolutionen kann man nur dadurch entgegenarbeiten, dass man die Kraft, die der Revolution entgegenarbeitet, kontinuierlich, fortwährend anwendet. Wenn man dem Wirtschaftsleben nicht entgegenstellt ein fortwährend gesundendes Geistesleben, dann ballt sich das Wirtschaftsleben zu den Revolutionen zusammen. 

 

 

 

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Rudolf Steiner: Man muss fortwährend die Heilkraft eines selbständigen Geistesleben neben dieses Krankmachende des Wirtschaftslebens hinstellen wurde am 31.07.2016 unter Hide veröffentlicht.

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