Leichname überall

 

 

von Ingo Hagel 

 

Schaut man sich heute in der Welt des Kinos um – ich selbst bin kein Kinogänger, aber über YouTube werden einem diese Dinge wie selbstverständlich vor die Augen gespült – dann kann in einem die große Frage entstehen, warum denn dort so massenweise getötet wird. Das kann nicht nur eine Laune irgendeiner kleinen Splittergruppe von Independent-Regisseuren sein, denn so viele Menschen gehen in die Kinos und gucken sich diese Filme begeistert an. Dieser so gehäuft auftretende Filmtod ist also eine Frage der Zeit und trifft einen Nerv der Menschen. Das geht wohl uns alle an.

So sind zum Beispiel in dem über 3 Stunden langen Western-Kammerspiel „The Hateful 8“ (kam an Weihnachten 2015 in die Kinos… Na denn, frohes Fest) im Kopf gut beieinander, aber nachdem die Fassade dieser wohlgesetzten Worte durchbrochen und auf ihre eigentliche Substanz zurückgeführt wurde, sind alle Acht oder noch mehr dieser Hasserfüllten tot. Was will sich Quentin Tarantino, der nicht nur Regie geführt, sondern auch das Drehbuch geschrieben hat, mit dieser Handlung – mal wieder, es ist sein achter „hasserfüllter“ Film! – von der Seele schreiben? Da liegt doch etwas vor! 

Man ahnt heute nicht, wie innig verwandt die vielen Leichname der Kinofilme mit unserem eigenen Denken sind. Denn leichnamhaft ist diese Welt des passiven Denkens, dass sich nur auf die Dinge der Sinneswelt stützen will. Das hat Rudolf Steiner einmal an einer Stelle beschrieben, bei der man sich nur wundern kann, wie oft er in dieser Auseinandersetzung über das heutige Denken, das sich nur passiv an der Sinneswelt entlanghangeln kann, das Wort Leichnam benutzt.  Leichnam, Leichnam, Leichnam, Leichnam ….. Man kann eben heute nicht lebendig denken, sondern das, was der so genannte moderne Mensch als Begriffe und Ideen in seinem Kopf trägt, sind passive und abgestorbene Produkte eines ehemals lebendigen Denkprozesses, zu dem wir erst wieder hinkommen müssen.

Die wohlanständigen Leute, die nun im Folgenden aufschreien und sagen: „Das ist ja alles ganz entsetzlich und ganz schlimm, damit wollen wir nichts zu tun haben!“ wissen gar nicht, wie viel sie mit diesem massenhaften Tod innerlich und äußerlich – in Beruf, Leben und so weiter und so fort – zu tun haben. Dieser wird in unserer heutigen so fortschrittlichen Welt nicht nur täglich „realpolitisch“ Wirklichkeit, wird nicht nur täglich in den heutigen Leichnams-Wissenschaften gelehrt und praktiziert, sondern wird eben auch täglich im Kino ins Bild gesetzt.

Und die anderen jungen nachrückenden Abgebrühten, die sich gut gelaunt diese moderne Kunstform ansehen können, ohne dass sie beim Kauen des Popcorns nachdenklich werden, sind natürlich auch viel zu gedankenlos und zu passiv, um sich irgendeine weitergehende Frage hinsichtlich dieses großen Zeitphänomens stellen zu können.

Und alle haben natürlich keine Ahnung, wie viel von diesem Tod noch auf die Menschen zurollen wird, wenn die Menschen sich nicht bequemen und die Kraft finden wollen, dieses passive Denken zu überwinden.

Also sprach Rudolf Steiner:

Solange man bloß auf das passive Denken hinblickt, ist einem eben das Denken dasjenige, was sich im Menschenleibe entwickelt, wenn dieser Menschenleib durch seine Sinne die äußeren Dinge ansieht. Lässt man aber in dieses passive Denken hineinfahren die Aktivität des inneren Menschen, dann kann man dasjenige, was man früher gehabt hat, mit etwas anderem vergleichen; dann kann man erst anfangen, über das Wesen dieses passiven Denkens sich aufzuklären. Und dann kommt man dazu, dass dieses passive Denken ja eigentlich im Seelenleben sich so ausnimmt wie ein Leichnam eines Menschen in der physischen Welt.  

 

Wenn man den Leichnam eines Menschen in der physischen Welt hat, dann sagt man sich:  

 

So etwas kann ja nicht primär entstehen; es kann durch keine gewöhnlichen Naturgesetze eine solche Zusammenfügung der Materien stattfinden, wie sie da in einem Leichnam vor mir liegt. 

Diese Zusammenfügung der Materien ist nur dadurch möglich, dass der Leichnam früher belebt war von einem Menschenwesen, dass er ein Rest ist, dass er übriggeblieben ist von einem belebten Menschen, der diesen Leib an sich getragen hat. – 

Der Leichnam als solcher ist nur erklärlich unter der Voraussetzung des früher vorhandenen lebendigen Menschen. 

Vor seinem passiven Denken steht der Mensch so, wie ein Wesen, das niemals Menschen gesehen hätte, sondern nur Leichname.  

Ein solches Wesen müsste alle Leichname als ebenso viele Wunder empfinden;  

denn sie könnten gar nicht entstehen aus dem, was in der übrigen Natur um die Leichname herum ist.  

So lernt man – in dem Augenblicke, wo das aktive Element des Seelenlebens in das Denken hineinschießt – das Denken erst erkennen als etwas, was ein Rest ist. Man lernt es erkennen als Rest von etwas. Das gewöhnliche Denken ist tot, es ist ein Seelenleichnam,  

und man muss aufmerksam werden auf diesen Seelenleichnam dadurch,  

dass man das eigene Leben der Seele hineinschießen lässt und den Leichnam, das abstrakte Denken nun in seiner Lebendigkeit kennenlernt.  

Will man einen Leichnam verstehen, so muss man daneben einen lebendigen Menschen anschauen. 

Will man das gewöhnliche Denken verstehen, so muß man sich sagen: Es ist tot, es ist ein Seelenleichnam

und das Lebendige davon war in dem vorirdischen Leben; da lebte die Seele ohne den Leib in der Lebendigkeit dieses Denkens, und das, was mir geblieben ist hier im irdischen Leben, das muss ich betrachten wie den Seelenleichnam der lebendigen Seele des vorirdischen Lebens.  

Was Rudolf Steiner ansonsten an dieser Stelle zur Überwindung dieses Leichnams-Zustands sagte, siehe dazu hier.

 

 

 

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Leichname überall wurde am 25.03.2016 unter Freies Geistesleben, Soziale Frage, Wissenschaft, Zum Zeitgeschehen veröffentlicht.

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