Rudolf Steiner: Die «Philosophie der Freiheit» lässt sich nicht wie ein anderes Buch lesen

 

 

Aus Nr. 188 der Rudolf Steiner Gesamtausgabe.

Daher versteht man so schwer dasjenige, was auf aktives Denken Anspruch macht, wie zum Beispiel meine «Philosophie der Freiheit». Da sind die Gedanken anders, als die heute üblichen Gedanken sind. Und beim Lesen dieses Buches hören die Menschen manchmal sehr bald auf zu lesen, aus dem einfachen Grunde: sie möchten es lesen wie ein anderes Buch. Aber, nicht wahr, die andern Bücher, die man heute besonders gern hat, nun, die liest man, setzt sich hin auf die Chaiselongue, legt etwas den Rücken zurück, dann wird man möglichst passiv und lässt so die Gedankenbilder vorbeigehen. Manche Menschen betreiben ja das Lesen schließlich überhaupt nur noch so. Betrügen Sie sich nicht, indem Sie glauben, dass sie die Zeitungen oftmals anders lesen, diese Menschen – nicht wahr, die Anwesenden sind immer ausgenommen, selbstverständlich -, es mischen sich nur manchmal Emotionen hinein, Sorgen hinein; aber auch die Zeitungen, die so sensationell aufgenommen werden, die werden auch so gelesen, dass die Bilder so vorbeihuschen. Ja, so lässt sich so etwas, wie es versucht worden ist darzustellen in der «Philosophie der Freiheit», nicht lesen. Da muss man sich immerfort einen Ruck geben, damit diese Gedanken einen nicht einschläfern. Denn darauf ist nicht gerechnet, dass man auf der Chaiselongue bloß sitzt. Man kann ja sitzen, selbstverständlich, kann sogar den Rücken zurücklehnen, aber man muss dann versuchen, aus dem ganzen Menschen, gerade dadurch, dass man die äußere Leiblichkeit in Ruhe gebracht hat, das innere geistig-seelische Wesen in Bewegung zu setzen, so dass das ganze Denken in Bewegung kommt. Anders geht es nicht vorwärts, sonst schläft man ein. Es schlafen auch viele dabei ein, und das sind nicht einmal die unehrlichsten. Die unehrlichsten sind diejenigen, welche die «Philosophie der Freiheit» lesen wie ein anderes Buch und dann glauben, dass sie wirklich die Gedanken verfolgt haben. Sie haben sie nicht verfolgt, sondern sie haben sie nur so übersetzt wie Worthülsen; sie lesen nur so die Worte und nehmen nicht heraus, was eigentlich aus den Worten erst folgt, wie wenn man am Feuerstein den Stahl schlägt. Das ist schon dasjenige, was beansprucht werden muss von dem, was in der Gegenwart und in der nächsten Zukunft in die Menschheitsentwickelung eingreifen muss, denn dadurch wird die Menschheit allmählich in gesunder Art sich in die geistige Welt hinauf erheben. An dem aktiven Denken wird sich entzünden die innere Verwandtschaft des Menschen mit der geistigen Welt, und dann wird der Mensch immer weiter hinaufkommen. Er kann ja heute schon sehr weit kommen, wenn er solche Dinge beobachtet, wie sie in «Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten?» beschrieben sind. Aber auch da ist hinlänglich daraufhin gedeutet, dass es doch notwendig ist, dass das kohärente, wenn ich mich des Ausdrucks bedienen darf, das zusammenhängende Denken, wo niemals der Gedankenfaden abreißt, sondern alles am Gedankenfaden verfolgt wird, vorzugsweise entwickelt werde. 

 

 

 

 

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Rudolf Steiner: Die «Philosophie der Freiheit» lässt sich nicht wie ein anderes Buch lesen wurde am 20.08.2015 unter Hide veröffentlicht.

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