Biokäufer ernähren sich gesünder? Studie des Max-Rubner-Institutes lenkt vom Wesentlichen ab

von Ingo Hagel

Ende Juni 2010 wies das FIBL Deutschland auf den Abschluss der Nationalen Verzehrsstudie II des Max-Rubner-Institutes hin, die vom Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) im Rahmen des Bundesprogramms Ökologischer Landbau (BÖL) gefördert wurde. Diese Studie könnte allerdings – wenn sie nicht als Grundlage für weitergehende Untersuchungen genommen wird – für die Biobewegung zum Problemfall werden, da sie den Blick vom Wesentlichen ablenkt.

Hier einige Auszüge aus der Meldung auf der Seite des Portals Forschung.Oekolandbau.de: „Rund 14.200 Menschen gaben für die Nationale Verzehrsstudie II exakte Auskunft über ihre Ernährungsgewohnheiten und lieferten damit die umfassendste Datenbasis, die es zu diesem Thema in Deutschland jemals gegeben habe …. Insgesamt zeigten Biokäufer eine günstigere Lebensmittelauswahl: sie verzehrten mehr Obst und Gemüse und weniger Fleisch und Wurstwaren als Nicht-Biokäufer. Auch Süßwaren und Limonaden wurden weniger konsumiert. Biokäufer rauchten weniger und waren sportlich aktiver als Menschen, die keine Biolebensmittel kauften. …. Danach ernährten sich Biokäufer nicht nur gesünder als Nicht-Biokäufer. Es wurden auch eindeutige Beziehungen zwischen der Kaufintensität von Biolebensmitteln und einer günstigen Lebensmittelauswahl sowie anderen Aspekten gesundheitsrelevanten Verhaltens ermittelt“ (Hervorhebungen IH).

Die Studie ist einerseits als wissenschaftliche Daten- und Erkenntnisgrundlage positiv zu beurteilen, da sie Auskunft über die unterschiedlichen Ernährungsgewohnheiten von Biokäufern und Nicht-Biokäufern gibt: Offensichtlich leben und ernähren sich Biokäufer (im Durchschnitt) bewusster und gesünder – aber ist dieses Ergebnis wirklich eine Überraschung? Daher muss man aus diesen bisher bekannt gewordenen Ergebnissen (der Endbericht der Studie wird erst im August 2010 erwartet) sagen, das mit diesem Projekt leider die Chance vertan wurde, mit den vorhandenen sicher nicht unerheblichen Forschungsmitteln (angesichts einer aufwendigen Befragung von immerhin 14.200 Menschen!) innerhalb eines spezifisch auf die Belange und Bedürfnisse des Ökologischen Landbaus ausgerichteten Forschungsförderungsprogramms (es handelte sich um ein Forschungsprojekt „im Rahmen des Bundesprogramms Ökologischer Landbau“!) sinnvollere und für die Zukunft des Ökologischen Landbaus wichtigere Fragen zu bearbeiten. Dazu gehört, den tatsächlichen Einfluss einer Ernährung mit Ökoprodukten auf das Wohlbefinden des Menschen im weitesten Sinne zu untersuchen.

Fatale Wirkung

Über diese fragwürdige Mittelverwendung hinaus wäre es fatal, wenn diese Nationale Verzehrsstudie II in Zukunft zu dem (falschen) Urteil verführte, jegliches berichtete bessere Wohlbefinden von Biokonsumenten beruhe nicht primär auf realen Qualitätsunterschieden der verzehrten ökologischen Produkte, sondern auf den in dieser Studie herausgearbeiteten sekundären Einflüssen des Bio-Käufer-Lifestyles (gesündere Ernährung und Lebensweise) – was ja zum Teil sicher richtig sein mag, aber den Blick von der eigentlichen positiven Wirkung der Ökoprodukte ablenkt. Daher sollte in einem Anschlussprojekt unbedingt diese Frage angegangen werden: Welche Wirkungen hat eine Ernährung mit Ökoprodukten auf die menschliche Gesundheit? Das Max-Rubner-Institut hätte dazu sicher die nötige Ausstattung und Möglichkeiten.

Sollte eine solche Ernährungsstudie zum primären und tatsächlichen Einfluss von Ökoprodukten auf das Wohlbefinden des Menschen durchgeführt werden, müsste man sich allerdings zuerst darüber verständigen: Was ist eigentlich gutes Bio? Ich meine dabei weniger die immer wieder vorkommenden Fälle von Ökobetrug, in denen zum Teil gigantische Mengen von konventionellen Produkten als Ökoprodukte in den Handel kommen.

Anmerkung: Wie Bio-Markt.Info berichtet, hat ja erst vor kurzem der BNN beschlossen, in seinem Prüf-Repertoire des BNN-Monitoring für Obst und Gemüse mittels Stickstoff-Isotopenanalysen zu prüfen, ob eine Biopflanze im Anbau mit erlaubten organischen oder nicht erlaubten mineralischen Düngern behandelt wurde. Das macht der BNN sicher nicht aus wissenschaftlicher Neugier, sondern weil es mit Blick auf die erwähnten Betrugsfälle bitter nötig sein dürfte.

Vielmehr meine ich den innerhalb des Ökologischen Landbaus unüberhörbaren Protest einiger Landwirte (mit Anspruch und Idealen) gegenüber dem Verhalten anderer Kollegen, denen es mehr auf Masse denn auf Klasse ankommt. Dazu kommt der immer größere Druck, immer billiger und rationeller und mit immer höheren Erträgen produzieren zu müssen. In diesem Zusammenhang sprach Prof. Jürgen Heß bereits von der „Konventionalisierungsfalle.“ Deutlicher kann man ja wohl auch mit Blick auf die zu erwartende Qualität von Ökoprodukten kaum werden.

Auf die Problematik der Hybriden im ökologischen und biologisch-dynamischen Landbau wurde hier auf Umkreis-Online bereits hingewiesen. Noch viele andere Punkte des Anbaus, der Düngung, Anwendung biologisch-dynamischer Präparate etc. wären zu klären vor der Durchführung einer solchen neuen Verzehrsstudie mit Blick auf die Frage, von welchen Bioprodukten welcher Biobetriebe positive Auswirkungen auf die Gesundheit zu erwarten wären – und von welchen wohl eher nicht.


Biokäufer ernähren sich gesünder? Studie des Max-Rubner-Institutes lenkt vom Wesentlichen ab wurde am 13.07.2010 unter Ökologischer Landbau veröffentlicht.

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