Demeter Un-Sinn: Biologisch-dynamische Produkte sollen die Sinnestätigkeit fördern

von Ingo Hagel

In der Zeitschrift Lebendige Erde (5/2007 S. 54) wurde Stefan Illi, Geschäftsführender Vorstand des Demeter e.V, gefragt, wo es denn hingehen sollte mit Demeter und der biologisch-dynamischen Sache in den nächsten Jahren. Seine „ganz persönliche Zehn-Jahres-Vision für den Verband“ formulierte er so: „Bis 2017 gelingt es dem Verband – dank Unterstützung und Koordination von Forschung und guter Vernetzung mit anderen Akteuren ein neues Verständnis von Ernährung zu verbreiten: Wichtig sind nicht nur die Nährstoffe, sondern das Potenzial eines Lebensmittels, den Konsumenten z.B. in seiner Lebendigkeit und Sinnestätigkeit zu fördern“ (Hervorhebung IH).

Obiges Statement von Stefan Illi hat in der Demeter-Bewegung bis heute meines Wissens keine Proteste, Richtigstellungen oder Diskussionen hervorgerufen. Mittlerweile sind drei dieser zehn Jahre, die sich der Demeter e.V. nehmen wollte, um seine Orientierungslosigkeit zu überwinden, vergangen. Eine Überzeugung, dass der Demeter e.V. auf dem Wege ist, ein sinnvolles Verständnis von Ernährung zu verbreiten, ist bis heute nicht wahrnehmbar (stattdessen befürwortet der Demeter e.V. zum Beispiel nun eine Züchtung aus Hybriden). Um weitere 7 Jahre dieser Demeter-Sinn-Suche zu vermeiden, halte ich es daher mit Blick auf die Zukunft der Biologisch-Dynamischen Wirtschaftsweise für angebracht, auf diese programmatischen Äußerungen des geschäftsführenden Vorstandes „dieses ältesten ökologischen Anbauverbandes, der für sich in Anspruch nimmt, Qualitätsführer bei Bio zu sein“ – wie Illi meint (s. auch hier, hier oder hier) – eingehen.

Bei der Begründung der Biologisch-Dynamischen Wirtschaftsweise (Markenzeichen Demeter) handelt es sich nicht um eine gutgemeinte, außerplanmäßig-vorzeitige „Zugabe“ Rudolf Steiners an die von seinen vielen unverständlichen okkulten Mitteilungen ermatteten Zuhörer, vielleicht um der (stramm konventionell-naturwissenschaftlich orientierten) Ökobewegung (nach dem Muster „endlich mal was Praktisches …“) die Steigbügel zu halten. Erstere gründet sich mit den (als der „Landwirtschaftliche Kurs“ bekannten) Vorträgen völlig auf die Anthroposophie, ist aus ihr herausgeboren und mit den geistigen Zielen der anthroposophischen Welt- und Menschenerkenntnis verbunden. Ohne die Anthroposophie, das heißt ohne dass man sich als Praktiker, Forscher, Züchter oder Demeter-Funktionär (sinnvoll) auf sie bezieht und sie in sein Tun einbezieht – wird sie nicht überleben; höchstens als die leere Hülle eines (immer konventioneller werdenden) Bioverbandes unter vielen. Hat man sich aber mit der Anthroposophie vertraut gemacht – und nicht nur auf Demeter-Funktionärstreffen ein paar Schlagworte aufgeschnappt – erscheint einem das von Stefan Illi so locker in die „bio-dynamische“ Medien- und Seelenlandschaft der Zeitschrift „Lebendige Erde“ hingeworfene – und nicht weiter erläuterte – Ziel des Demeter e.V., „den Konsumenten z.B. in seiner … Sinnestätigkeit zu fördern“ als – bestenfalls missverstandener – Un-Sinn, dessen Realisierung für den Konsumenten eine Katastrophe wäre.

Das, worauf Stefan Illi mit dieser Förderung der Sinnestätigkeit anspielt, ist ja Teil einer Gliederung des Menschenwesens, nämlich in oberen (Nerven- sowie Sinnessystem), mittleren (rhythmisches System) und unteren Menschen (Stoffwechsel- sowie Gliedmaßensystem), die in der Anthroposophie dargestellt wird und daher auch nur aus dieser heraus verstanden werden kann. Diese Glieder des Menschen erscheinen im Leiblichen ja nur in ihrer physisch sichtbaren Gestalt. Ansonsten handelt es sich um nicht-sinnliche, das heißt übersinnliche Kräfteorganisationen, deren jeweiliges Präponderieren beziehungsweise Ineineinandergefügtsein für die geistig-seelische Konstitution des Menschen von entscheidender Bedeutung sind.

Anmerkung: Dabei muss natürlich immer im Auge behalten werden, dass diese Glieder nicht räumlich getrennt sind sondern sich im Menschen gegenseitig durchdringen. Zum Beispiel ist das Nervensystem auch im unteren und das Gliedmaßensystem auch im oberen Menschen vorhanden und tätig.

Damit ist eine bestimmte Ausrichtung der Gedankenführung vorgegeben. Das (eigentlich esoterische) Körper-Seele-Geist-Problem hat hier seinen ernsten und komplizierten (das heißt gar nicht mehr wellnessartigen!) Hintergrund. Trotzdem erweitern Werbetexter des Demeter-, Öko- und Nicht-Öko-Bereichs mittlerweile gerne ihre schrillen Sirenengesänge um zwei Oktaven, indem sie der ausgelutschten „Körper“-Schiene die Worthülsen „Seele“ und „Geist“ hinzufügen, um den Käufer zum Wohlfühleinkauf zu stimulieren. Dabei ist Stefan Illi nicht aufgefallen, dass er sich „das Schäufelchen mehr“ für sein Demeter-Premium-Produkt aus der falschen Kiste geholt hat, indem es ja in Anbetracht des von Demeter-Vorstand angesprochenen anthroposophischen Kontextes für den Menschen ja niemals darum gehen kann, durch irgendwelche Maßnahmen dessen Sinnestätigkeit zu fördern. Denn wenn man nun schon seitens des Demeter-Verbandes (vermutlich ohne es zu wissen) auf den ganzen Menschen anspielt (nämlich Körper, Seele und Geist), dann muss man auch konsequent sein in dieser Angelegenheit und anerkennen, dass die geistige Zukunft des Menschen gemäß der anthroposophischen Anschauung niemals in einer Steigerung der Sinnestätigkeit sondern nur in einer Aktivierung der Denktätigkeit liegen kann.

Die Menschen pochen heute stark auf die Erkenntnis durch die Sinne (und die auf sie gebaute Naturwissenschaft) als alleiniger Erklärungsgrundlage für die Welterscheinungen. Sie merken nicht, dass gerade die naturwissenschaftliche Forschung durch die dort (naturwissenschaftlich) erarbeiteten Phänomene längst an den Punkt herangekommen ist, an dem die festgefügten naturwissenschaftlichen Begriffe aus den Angeln gehoben werden, ihre Gültigkeit verlieren beziehungsweise ergänzt und neu gedacht werden müssen, da sie im alten naturwissenschaftlichen Stil so – aufgrund der vielen Widersprüche – nicht mehr widerspruchsfrei denkbar sind. Natürlich wollen viele Menschen das nicht sehen, betäuben sich über die Mahnung der an ihre eigenen Grenzen (das heißt aber an die Grenzen der geistigen Welt) stoßenden Naturwissenschaft, indem sie schon lange aufgegeben haben, das (naturwissenschaftliche) Denken könne überhaupt irgendetwas zur Lösung der Welträtsel (zum Beispiel: Was ist Leben? Woher kommt die Form der Organismen? Woher kommt der Mensch? Wohin geht der Mensch? Was ist Geist? Ist Geist nur Intellekt? Gibt es Geist ohne Körper?) beitragen (wozu es jedoch einmal angetreten war). So gibt man sich damit zufrieden, die sogenannte „Wissenschaft“ (die aber nichts Richtiges mehr mit Blick auf die genannten Welträtsel weiß) nur noch zu rein pragmatisch-technischen Zielen (was „Praktisches“, zum Beispiel „leckere“ Demeter-Produkte) zu benutzen, was ja nicht falsch, nur völlig unzureichend ist für das Leben – nicht nur das allgemein-kulturelle, auch für das individuell-seelische Leben des einzelnen Menschen und dessen Bedürfnisse.

Anmerkung: Anthroposophie wendet sich niemals gegen das, was die Naturwissenschaft beobachtet, höchstens gegen die Schlüsse, die daraus gezogen werden. Sie stellt jedoch dar, was die Naturwissenschaft (kausal-analytisch) nicht erklären kann. Trotz dieser Wendung der geistigen Blickrichtung ist ein fruchtbares Arbeiten nach außen für die Anthroposophie ohne diese solide Grundlage einer naturwissenschaftliche Schulung eigentlich nicht möglich (auch wenn diese allein für ein Arbeiten auf anthroposophischem Felde natürlich völlig unzureichend ist): „Anthroposophie will zunächst sein eine Erkenntnis der geistigen Welt, eine solche Erkenntnis der geistigen Welt, welche sich durchaus an die Seite stellen kann dem, was wir heute in einer so großartigen Weise als Naturwissenschaft haben. Sie will sich an die Seite stellen dieser Naturwissenschaft sowohl durch wissenschaftliche Gewissenhaftigkeit, wie auch dadurch, dass derjenige, der in ernster Weise nicht bloß Anthroposophie in sein Gemüt aufnehmen, sondern sie aufbauen will, dass der vor allen Dingen durchgegangen sein muss durch alle die strengen und ernsten Methoden, welche die Naturwissenschaft heute übt.“ (Rudolf Steiner, GA 84).

Das zentrale Ziel der Anthroposophie ist daher erstens die Darstellung des Fehlenden, aber immer mehr Ersehnten, Benötigten, nämlich einer geistigen Menschen- und Welterkenntnis (das heißt des die Sinneserscheinungen, den Sinnen-Schein, Bewirkenden). Dies könnte zur Folge haben, dass auch die verschiedenen („praktischen“) Lebens- und Arbeitsgebiete („Berufe“ – zum Beispiel biologisch-dynamischer Landwirt, Funktionär, Forscher, Züchter etc., heute allerdings mit immer weniger sich „berufen“ Fühlenden) aus dem Geiste heraus eine neue Begründung und Ausrichtung erfahren. Damit dies geschehen könne, ist zweitens die Schilderung des geistigen Erkenntnisweges, auf dem der Mensch sich zusätzlich zu dem an der Sinneswelt ausgerichteten „Ich“ ein neues Ich erränge, das eben auch ohne die Erscheinungen der Sinne sich halten, erfassen, erkennen könne – eben über-sinnlich. Das „normale Ich“ existiert ja nur mit der Sinneswelt, durch sie und als sie – und hat so wenig Bestand, dass dem Menschen das Bewusstsein seines „Ich“ schwindet, wenn ihm beim Einschlafen und in der Nacht die Sinneswelt schwindet. Oder wenn er versucht, sich einen Bewusstseinsinhalt vorzustellen, der sich nicht an die Sinneserscheinungen anlehnt – was ja eben viele Menschen beim Studium der Anthroposophie (oder ihrer philosophisch-erkenntnistheoretischen Grundlagen) zum Einschlafen bringt.

Die Menschen glauben, sie bedürfen dieses Ideeninhaltes nicht, weil sie nicht merken, dass die Entwicklung der Welt in jedem einzelnen Menschen selber Fragen stellt, die durch die universitäre (an der Sinneswelt erarbeitete naturwissenschaftliche) Gelehrsamkeit nicht beantwortet werden können. Sie glauben, die Anthroposophie werfe künstlich ein konstruiertes Problem auf (nämlich die geistige Welt) anstatt zu erkennen, dass sie Antworten auf drängende Fragen gibt, die sich jeder Mensch (auf sämtlichen Lebensgebieten) heute stellen müsste – wenn er nur intensiv genug nachdenken würde. Sie halten die Anthroposophie für ein (unproduktives und daher überflüssiges) Hobby, oder für Ausflüsse elitärer oder sektiererischer Zirkel, alt- oder neumodischer Geheimbünde, die mit dem „praktischen Leben“ der sonstigen „hart-arbeitenden“ Menschen nichts zu tun haben, und sehen nicht, dass diese Antworten und Hilfestellungen auf drängende Fragen bietet, die sich zwar die Menschen nicht stellen wollen, die aber in ihnen trotzdem vorhanden sind – und wirken.

Anthroposophie behandelt einen völlig neuen Problemkreis (zusätzlich zur naturwissenschaftlichen Perspektive), der sich seit einiger Zeit und für die Zukunft der Menschheit immer deutlicher auftut – den nach einer geistigen Erkenntnis des Menschen und der Welt – ohne die in der Zukunft das Leben immer ungemütlicher werden wird. Und so formulierte Rudolf Steiner 1920 (GA 186): „Um was es sich handelt für die Zukunft, das ist nicht, dass es im äußeren Leben bequemer hergehen wird. Die Menschheit wird schon noch größere Unbequemlichkeiten als diejenigen, die sie sich heute träumen lässt, mit dem Reste der Erdenentwickelung auf sich nehmen müssen (das heißt eine Hoffnung auf – im bürgerlichen Sinne – bessere Zeiten, nach dem Muster: „wird schon wieder werden…“ – ist eine Illusion; Hervorhebung und Anmerkung IH). Aber sie wird sie auf sich nehmen, weil sie durch innere Seelenkämpfe – jeder einzelne in seiner Persönlichkeit – gestärkt sein wird. … Immer stärker und stärker wird die Kraft werden, die auf der Grundlage dieses inneren Seelenkampfes in den menschlichen Naturen sich abzuspielen hat (um zum Bewusstsein zu bringen, was sowieso im Unterbewussten Seelenleben vorhanden ist, dort aber nicht mehr unbewusst bleiben darf; Anmerkung IH). Nur sträuben sich heute die Menschen noch gegen diese innere Entwickelung. Sie ahnen sie zwar und fürchten sich davor; sie haben aber nicht den Mut zu diesem inneren Kampfe. Das, was in dem Buche „Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten?“ steht, soll dahin führen, dass der Mensch diesen inneren Kampf siegreich auskämpfen kann“ (Hervorhebungen IH).

Der Mensch ist – auch wenn er davon nichts wissen möchte – in diesen unbewussten geistigen Kampf auf dem Grunde seiner Seele verstrickt. Nun muss (und wird) aber bewusst werden, was bisher unbewusst nur war. Sowohl das oben genannte Buch als auch das gesamte Anliegen der Anthroposophie sind eine Hilfestellung auf diesem Wege der Menschheit. Denn sie geben eine Darstellung übersinnlicher Erkenntnisse in rein begrifflicher Form, um erst denken zu lernen, was ohne diese Gedanken, das heißt als wesenhafte geistige Realität, für den unvorbereiteten Menschen eine Überforderung – und Gefahr – wäre. – Und warum sollte die von Rudolf Steiner inaugurierte biologisch-dynamische Wirtschaftsweise plötzlich von diesem Anliegen der Anthroposophie eine Ausnahme machen?

Im Gegenteil: Ihr zentraler Punkt (die Qualitätsfrage) ist präzise an diesem geistigen Anliegen orientiert, wie Rudolf Steiner unmissverständlich in den Vorträgen klarmachte, die weitere Bearbeitung dieses Themas allerdings den (anthroposophischen) Mitarbeitern an der biologisch-dynamischen Sache überließ.

Förderung der Sinnestätigkeit kontraproduktiv

Auf diesem Wege zu einer Erringung einer spirituellen Weltanschauung kann dem Menschen eine verstärkte Sinnestätigkeit jedoch nicht helfen. Dazu muss man sich über das zusammenhanglose und gleichwertige, unterschiedslose Neben- und Nacheinander der (gedankenlosen) Sinneswahrnehmungen (Farben, Töne, Wärme und Tastwahrnehmungen etc.) erheben. Dieses Erheben geschieht nicht durch die Förderung der (passiven) Sinnestätigkeit, wie Stefan Illi und der Demeter e.V. vielleicht meinen, sondern nur durch eine Aktivierung des Denkens: „Das Denken ist imstande, Fäden zu ziehen von einem Beobachtungselemente zum anderen. Es verknüpft mit diesen Elementen (der Sinnesbeobachtung; Anmerkung IH) bestimmte Begriffe und bringt sie dadurch in ein Verhältnis“ (Rudolf Steiner, Philosophie der Freiheit). Im 5. Kapitel dieses Buches wird die Bedeutung des Denkens gegenüber der bloßen Sinneswahrnehmung weiter ausgeführt: „Am tiefsten eingewurzelt in das naive Menschheitsbewusstsein ist die Meinung: das Denken sei abstrakt, ohne allen konkreten Inhalt. Es könne höchstens ein ideelles Gegenbild der Welteinheit liefern, nicht etwa diese selbst. Wer so urteilt, hat sich niemals klargemacht, was die Wahrnehmung ohne den Begriff ist. Sehen wir uns nur diese Welt der Wahrnehmung: als ein bloßes Nebeneinander im Raum und Nacheinander in der Zeit, ein Aggregat zusammenhangloser Einzelheiten erscheint sie. Keines der Dinge, die da auftreten und abgehen auf der Wahrnehmungsbühne, hat mit dem anderen unmittelbar etwas zu tun, was sich (über die Sinne; Anmerkung IH) wahrnehmen lässt. Die Welt ist da eine Mannigfaltigkeit von gleichwertigen Gegenständen. Keiner spielt eine größere Rolle als der andere im Getriebe der Welt. Soll uns klar werden, dass diese oder jene Tatsache größere Bedeutung hat als die andere, so müssen wir unser Denken befragen. Ohne das funktionierende Denken erscheint uns das rudimentäre Organ des Tieres, das ohne Bedeutung für dessen Leben ist, gleichwertig mit dem wichtigsten Körpergliede. Die einzelnen Tatsachen treten in ihrer Bedeutung in sich und für die übrigen Teile der Welt erst hervor, wenn das Denken seine Fäden zieht von Wesen zu Wesen. Diese Tätigkeit des Denkens ist eine inhaltvolle (Hervorhebungen IH). Denn nur durch einen ganz bestimmten konkreten Inhalt kann ich wissen, warum die Schnecke auf einer niedrigeren Organisationsstufe steht als der Löwe. Der bloße Anblick, die Wahrnehmung (also die Sinnesanschauung, Anmerkung IH) gibt mir keinen Inhalt, der mich über die Vollkommenheit der Organisation belehren könnte. … Wenn man von einer „streng objektiven Wissenschaft“ fordert, dass sie ihren Inhalt nur der Beobachtung (das heißt der Tätigkeit der Sinne; Anmerkung IH) entnehme, so muss man zugleich fordern, dass sie auf alles Denken verzichte. Denn dieses geht seiner Natur nach über das Beobachtete (das heisst die Ergebnisse der Sinnestätigkeit; Anmerkung IH) hinaus.“

Der letzte Satz mag überflüssig klingen, aber er stellt zum einen etwas im Verhältnis zwischen Sinnes- und Denktätigkeit klar, indem er die Argumentations- und Arbeitsgrundlage einer Wissenschaft, die behauptet, Erkenntnis und Wissenschaft sei allein auf Grundlage der äußeren Sinnesbeobachtung möglich und zulässig, als völlig unzutreffend charakterisiert. Zum anderen mag es viele Wissenschaftler (und sonstwie wissenschaftlich orientierte Menschen) geben, die Stein und Bein auf ihre „enorme Denktätigkeit“ schwören („wie kämen denn sonst die zahlreichen wissenschaftlichen Publikationen sowie die enormen Errungenschaften des modernen Lebens zusammen?“). Mag sein, aber sie denken (wie oben beschrieben) nicht mutig und konsequent genug die Dinge zu Ende, das heißt man gesteht dem Denken letztlich dann doch nicht die Hauptrolle bei der Lösung der Welträtsel zu sondern der Sinnesbeobachtung und – kapituliert, resigniert, gedankenlos, und – beschränkt sich aufs Pragmatische, „Praktische“, das heißt die technische Nutzanwendung („da weiß man, was man hat“). Würde man die Widersprüche, Fragen und neue Dimensionen die sich in der Forschung und im Leben – ein Blick in die Zeitung belegt dies täglich – auftun, wirklich zu Ende denken, käme man zu einer anderen Art der Wissenschaft als sie heute üblich ist. Aber das wird heute eben als „idealistisch“ (das heisst „wertlos“, weil: „nur Gedanken“) belächelt.

Rudolf Steiner beschreibt bereits im ersten seiner Bücher (GA 1) das Erkenntnis-Dilemma der modernen Wissenschaft (sowie den Ausweg daraus) in der Erarbeitung des philosophischen Kerns Goethes: „Wir halten für den richtigen Weg, diese Aufgabe zu lösen, eine auf Grundlage der deutschen idealistischen Philosophie gewonnene Ideenrichtung. … Unsere Zeit möchte man aber am besten damit bezeichnen, dass man sagt: Sie weist überhaupt Fortschritte in die Tiefe als für den Menschen unerreichbar zurück. Wir sind mutlos auf allen Gebieten geworden, besonders aber auf jenem des Denkens und des Wollens. Was das Denken betrifft: Man beobachtet endlos, speichert die Beobachtungen auf und hat nicht den Mut, sie zu einer wissenschaftlichen Gesamtauffassung der Wirklichkeit zu gestalten. Diese deutsche idealistische Philosophie aber zeiht man der Unwissenschaftlichkeit, weil sie diesen Mut hatte (zu einer wissenschaftlichen Gesamtauffassung zu kommen). Man will heute nur sinnlich schauen, nicht denken. Man hat alles Vertrauen in das Denken verloren (Hervorhebung IH). Man hält es nicht für ausreichend, in die Geheimnisse der Welt und des Lebens einzudringen. Man verzichtet überhaupt auf jegliche Lösung der großen Rätselfragen des Daseins. Das einzige, was man für möglich hält, ist: die Aussagen der (Sinnes-, Anmerkung IH) Erfahrung in ein System zu bringen.“

Aber letztlich ist diese „Abweisung alles Denkens und das Pochen auf die sinnliche Erfahrung …, tiefer erfasst, doch nichts anderes als der blinde Offenbarungsglaube der Religionen. Der letztere beruht doch nur darauf, dass die Kirche fertige Wahrheiten überliefert, an die man zu glauben hat. Das Denken mag sich abmühen, in ihren tieferen Sinn einzudringen; benommen aber ist es ihm, die Wahrheit selbst zu prüfen, aus eigener Kraft in die Tiefen der Welt zu dringen. Und die Erfahrungswissenschaft: was fordert sie vom Denken? Dass es lausche, was die Tatsachen sagen, und diese Aussagen auslege, ordne usw.. Selbständig in den Kern der Welt einzudringen, versagt auch sie dem Denken. Dort fordert die Theologie blinde Unterwerfung des Denkens unter die Aussprüche der Kirche, hier die Wissenschaft blinde Unterwerfung unter die Aussprüche der Sinnesbeobachtung. Da wie dort gilt das selbständige, in die Tiefen dringende Denken nichts.“

An anderer Stelle (GA 205) wird Rudolf Steiner noch deutlicher und drastischer. Er verweist auf den immer stärker werdenden Materialismus (der ja eine Verweigerung des Denkens darstellt; Anmerkung IH) und damit zusammenhängend auf ein „nicht genügendes Schwere- oder Seinsgefühl“ im nachtodlichen Dasein: „Das kann nur dadurch paralysiert werden, dass die Menschen von den Begriffen (des Alltags, des gewöhnlichen Bewusstseins, Anmerkung IH), die heute einfach von selbst erlangt werden können und die in unserem ganzen Leben figurieren, zu dem sich erheben, was mit einer gewissen Anstrengung des physischen Lebens erreicht werden muss: das ist, solche Begriffe, die eben nicht das physische Leben allein hergibt, die man durch Geisteswissenschaft erwirbt. Was sagen Ihnen die Leute, die durchaus beim heutigen Denken stehenbleiben wollen, über die Geisteswissenschaft? Sie sagen Ihnen: Ja, was da geschildert wird zum Beispiel in dieser Steinerschen „Geheimwissenschaft“, das ist ja phantastisch, das ist ja willkürlich, das kann man sich ja nicht vorstellen! – Warum sagen das die Leute?  Die Leute können Kreide sehen, Tische sehen, Beine sehen, und sie können nur das vorstellen, was ihnen einmal in dieser Weise vor die Seele getreten ist; sie wollen sich nichts anderes vorstellen, als was sie sich vor dem Leithammel der äußeren Wirklichkeit angeeignet haben. Sie wollen keine innere Aktivität entwickeln im Vorstellen. Wer die „Geheimwissenschaft im Umriss“ studieren will, der muss sich selber anstrengen. Wenn er einen Ochsen anglotzt, da hat er allerdings eine Wirklichkeit, er braucht sich nicht anzustrengen, sondern er braucht ihn nur anzuglotzen und sich dann einen sogenannten Begriff zu bilden, der gar kein Begriff ist (das heißt kein Wesenhaftes, Lebendiges; Anmerkung IH ). Um was es sich handelt, ist, dass eben die Begriffe, die durch die Geisteswissenschaft, also zum Beispiel durch meine „Geheimwissenschaft“ oder „Theosophie“ oder durch die anderen Bücher angedeutet werden, diese innere Aktivität fordern“ (Hervorhebungen IH).

Die heutige „moderne“ Seelenkonfiguration steckt viel zu sehr in den Sinnen und ihrer das reale Geistige (anthroposophisch: Imagination, Inspiration, Intuition) ablähmenden Tätigkeit. Die Welt und ihre Probleme (einschließlich des Problems der Wesenheit des Menschen: Stoff oder Geist? Nacheinander, nebeneinander, ineinander? Der Mensch als Produkt seiner DNA?) können aber in die Zukunft hinein nur durch eine Aktivierung und ein Erleben des Denkens gelöst werden (und mit Blick darauf würde das Vorhaben von Demeter, durch diese Produkte die Sinnestätigkeit zu fördern, schlichtweg eine geistige Katastrophe bedeuten). Rudolf Steiner schildert das, worauf es ankommt, so (GA 84, Hervorhebungen IH): „Man muss nur – weil der Mensch in der heutigen Zeit nicht so stark, wie das in früheren Zeiträumen der Menschheitsentwickelung der Fall war, in dem Gedankenelemente selber lebt, sondern sich in dem Gedankenelement mehr einem passiven Verhalten hingibt und Eindrücke erwartet von der Sinneswelt -, man muss nur durch Übungen dieses Gedankenelement verstärken. Gewiss, der Mensch hat auch heute Gedanken, aber er kann kaum zu einer wirklichen Einsicht in die Wesenheit des Denkens, der Denktätigkeit kommen, weil er ganz und gar gewöhnt ist, in seine Gedanken sogleich einfließen zu lassen, wenn er erwacht, die äußeren Sinneseindrücke; weil er eigentlich nur auf diese äußeren Sinneseindrücke etwas gibt. Er kommt dadurch zwar dazu, für seine Gedanken einen Inhalt zu haben, nämlich den äußeren Sinnesinhalt; aber er kommt nicht dazu, die eigene Tätigkeit des Denkens zu fühlen, zu empfinden. Dies wird für den heutigen Menschen eben durch solche Übungen erreicht, wie ich sie besprochen habe zum Beispiel in meinem Buche „Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten?“ Solche Übungen verlangen vom Menschen, dass er gewissermaßen sich mit seinem ganzen Wesen in die Denktätigkeit hineinversetzt, dass er sich hingibt mit aller inneren Gewalt dem Denken, und dass ihm bei diesem Denken dann gleichgültig ist, was die äußeren Sinne ihm überliefern, dass er also ganz bewusst nur in der Denktätigkeit lebt. Helfen kann einem viel zu dieser inneren Denkübung, wenn man sich einmal mit Mathematik beschäftigt hat, namentlich mit Geometrie. Diese Denktätigkeit, die man in der Geometrie auszuüben hat, braucht man nur – ich möchte sagen durch einen mächtigen Ruck in das eigene Wesen – in ihrer Selbständigkeit, in ihrer Bildhaftigkeit, in ihrem inneren Leben und Weben zu erfahren, dann hat man schon, wenn man ein Dreieck aufzeichnet, eben ein Erleben der Aktivität des Denkens“.

Worauf es also ankommt ist nicht, die Beobachtung der Außenwelt immer weiter treiben, sondern das Denken selber beobachten zu lernen: „Im Betrachten des Denkens selbst fallen in eines zusammen, was sonst immer getrennt auftreten muss: Begriff und Wahrnehmung. Wer dies nicht durchschaut, der wird in an Wahrnehmungen (das heißt über die Sinne; Anmerkung IH) erarbeiteten Begriffen nur schattenhafte Nachbildungen dieser Wahrnehmungen sehen können, und die Wahrnehmungen werden ihm die wahre Wirklichkeit vergegenwärtigen. … Wer aber durchschaut, was bezüglich des Denkens vorliegt, der wird erkennen, dass in der Wahrnehmung nur ein Teil der Wirklichkeit vorliegt, und dass der andere zu ihr gehörige Teil, der sie erst als volle Wirklichkeit erscheinen lässt, in der denkenden Durchsetzung der Wahrnehmung erlebt wird“ (R. Steiner, Die Philosophie der Freiheit; Hervorhebungen IH). – Und eine Seite vorher: „Wer das Denken beobachtet, lebt während der Beobachtung unmittelbar in einem geistigen, sich selbst tragenden Wesensweben darinnen. Ja, man kann sagen, wer die Wesenheit des Geistigen in der Gestalt, in der sie sich dem Menschen zunächst darbietet, erfassen will, kann dies in dem auf sich selbst beruhenden Denken.“ Das heißt, diese Art des Denkens bedeutet gleichzeitig, den ersten Schritt in die geistige Welt zu tun, auch wenn diese sich erstmal „nur“ als (reiner) Gedanke offenbart.

Was dazu mit Blick auf die inneren Kräfteverhältnisse des Menschen nötig ist, nämlich keine Förderung der Sinnestätigkeit sondern eine Aktivierung des Willens, beschreibt Rudolf Steiner in GA 217 (Hervorhebungen IH): „… denn der Mensch ist nicht bloß ein Anschauungsapparat (dessen Sinnestätigkeit immer noch mehr gefördert werden müsste; Anmerkung IH), ein Apparat, der anschauen will. Der Mensch kann nur in innerer Aktivität leben. Etwas Geisteswissenschaftliches vorbringen heißt, den Menschen einladen, seelisch mitzuarbeiten. Das wollen die Menschen heute nicht. Alle Geisteswissenschaft muss zu einer solchen inneren Aktivität einladen, das heißt, sie muss alle Betrachtungen bis zu dem Punkte hinführen, wo man keine Anhaltspunkte mehr hat an dem äußerlich-sinnlichen Anschauen und sich das innere Kräftespiel frei bewegen muss. Erst wenn das Denken sich frei im inneren Kräftespiel bewegen kann, kann man zur Imagination kommen, nicht vorher. Die Grundlage für alle anthroposophische Geisteswissenschaft ist also die innere Aktivität, das Aufrufen zu innerer Aktivität, das Appellieren an das im Menschen, was noch tätig sein kann, wenn alle Sinne schweigen, und nur die Denktätigkeit dann in Regsamkeit ist. Da liegt aber etwas außerordentlich Bedeutsames vor. Stellen Sie sich jetzt einmal vor, Sie könnten das. Ich will Ihnen nicht schmeicheln und Ihnen etwa sagen: Sie können es. – Aber setzen Sie zunächst einmal die Hypothese, Sie könnten so denken, dass Ihre Gedanken nur ein innerer Gedankenfluss wären. Wenn ich in meiner „Philosophie der Freiheit“ vom reinen Denken spreche, so war diese Bezeichnung für die damaligen Kulturverhältnisse schon deplaciert; denn Eduard von Hartmann sagte mir einmal: „Das gibt es gar nicht; man kann nur anhand der äußeren Anschauung denken!“ Ich konnte ihm darauf nur antworten: „Man muss es probieren; man wird es dann schon lernen und zuletzt auch wirklich können. (Rudolf Steiner wusste also selber, wie schwer das alles ist. Und dass es erstmal NICHT geht! Aber man muss es probieren! Es handelt sich also nicht um ein Verstehensproblem – sozusagen von hier auf jetzt, und dann geht es – sondern darum, sich langsam anhand der Anthroposophie neue Fähigkeiten zu erwerben; Anmerkung IH) – Nehmen Sie also an, Sie könnten Gedanken im reinen Gedankenflusse haben. Dann beginnt für Sie der Moment, wo Sie das Denken bis zu einem Punkte geführt haben, an dem es gar nicht mehr Denken genannt zu werden braucht. Es ist im Handumdrehen – sagen wir im Denkumdrehen – etwas anderes geworden. Es ist nämlich dieses mit Recht „reines Denken“ genannte Denken reiner Wille geworden; es ist durch und durch Wollen. Sind Sie im Seelischen so weit gekommen, dass Sie das Denken befreit haben von der äußeren Anschauung (das heißt der Sinnestätigkeit; Anmerkung IH), dann ist es damit zugleich reiner Wille geworden. … Denn diese «Philosophie der Freiheit» kann nicht so gelesen werden, wie sonst Bücher…“

Mit Blick auf eine Erneuerung der Kultur, der Wissenschaften (für deren Notwendigkeit die Zeitereignisse ein lautes Zeugnis abgeben) sowie für die Erneuerung der Biologisch-Dynamischen Wirtschaftsweise beziehungsweise des Demeter e.V. und seiner selbstgesteckten Ziele kommt es also nicht auf eine Förderung der Sinnes- beziehungsweise der Kopftätigkeit sondern der Denktätigkeit an, die sich in dieser Umwandlung und Intensivierung aber als Willenstätigkeit erweist. Und innerhalb der Biologisch-Dynamischen Wirtschaftsweise, Forschung etc. wäre eben zu klären, welche Maßnahmen (Anbau, Düngung, Züchtung, Anwendung der biologisch-dynamischen Präparate etc.) solche Nahrungsmittel erzeugen, die den Menschen dabei nicht behindern sondern ihm eine Hilfe sind, ihn unterstützen – und welche Maßnahmen dies eben nicht sind.

Stefan Illi und der Demeter e.V. versäumen es, auf wichtige Fragen richtige Antworten zu geben. Der Verband ist dabei, sich durch den kruden Unsinn, den er produziert, zu ruinieren beziehungsweise sich die Existenzberechtigung zu entziehen. Leider gibt es jedoch nicht genügend Alternativen, statt Phrasen die Idee eines sich auf die Anthroposophie gründenden biologisch-dynamischen Landbaus zu verwirklichen. Gewöhnliche Bio-Verbände gibt es reichlich (leider nicht genügend Bio-Landwirte sowie Konsumenten, die deren Produkte verlangen). Man muss sich daher fragen, ob ein Verband gebraucht wird, der zwar immer wieder die „Qualitätsführerschaft“ für sich beansprucht, jedoch unernste und dilettantische „Esoterik“ betreibt, da er sich um seine eigenen Grundlagen (Anthroposophie) nicht kümmert und seine Aufgaben vernachlässigt. Da Demeter keinen Sinn für ein Geistesleben auf Grundlage der Anthroposophie hat, hat Demeter eventuell auch keinen Sinn mehr für die Welt?


Demeter Un-Sinn: Biologisch-dynamische Produkte sollen die Sinnestätigkeit fördern wurde am 05.10.2010 unter Anthroposophisches veröffentlicht.

Schlagworte: , , , , , , ,