Banken in die Insolvenz schicken! – Stattdessen wird Europa für deren unbezahlbare Spekulationsverluste immer weiter zahlen

von Ingo Hagel

Es ist lächerlich, was der Öffentlichkeit, das heißt den Menschen in Europa scheibchenweise präsentiert wird. Die Rettung des Euro, die aber eigentlich eine Bankenrettung ist, wird immer teurer. Nun soll die EZB den Banken bis zu 10 Billionen Dollar leihen.

Um den Euro zu retten könnte die EZB gezwungen sein, bei ihrer nächsten Kreditvergabe im Februar bis zu 10 Billionen Dollar in den Markt zu pumpen. Es wäre der teuerste Ankauf von Zeit in der Geschichte. …. Bei vergangenen D3-Jahres-Tender hatte die EZB bereits knapp 500 Milliarden Euro in den Markt gepumpt. Das Geld wurde zum einen zum Ankauf von Staatsanleihen im Januar verwendet. Den Rest horten die Banken als Liquiditätspuffer, was die stets neuen Rekorde von Übernacht-Einlagen bei der EZB belegen.

Der amerikanische Wirtschaftsnobelpreisträger Joseph Stieglitz beschreibt diese Salamitaktik der Banken am Beispiel des amerikanischen Versicherungsgiganten AIG:

Am 15. September 2008 sprach AIG noch von einer Finanzlücke von 20 Milliarden Dollar. Einen Tag später waren die Verluste auf 85 Millionen angewachsen. Kurze Zeit später war der nächste Zuschuss fällig, womit sich die Staatshilfe auf 150 Milliarden Dollar summiert hatte. Und am 1. März 2009 bewilligte die Regierung AIG weitere 30 Milliarden an Steuergeldern. Es war die vierte Intervention in weniger als sechs Monaten.

Stieglitz erkennt das Problem. Warum also nicht die Regierungen? Die Summen, die verteilt werden müssen, um unsere „notleidenden Banken“ zu retten, werden immer noch größer werden. Mittlerweile sind es also 10 Billionen, die die Banken an Rettungssumme fordern. Das wird kein Ende finden. Denn es sind ja nicht die Staatsschulden, die das eigentliche Problem darstellen, sondern – was merkwürdigerweise meistens unter den Tisch gekehrt wird – Verluste infolge unseriöser Spekulationsgeschäfte mit Derivaten und vor allem Credit Default Swaps. Der Handel mit diesen unproduktiven Derivaten übersteigt mit 601 Billionen den realen Handel der produktiven Weltwirtschaft mit 63 Billionen um fast das zehnfache.

Abbildung: Volumen der verschiedenen in 2010 getätigten Finanzgeschäfte (in Billionen Dollar) im Vergleich zum dem Wert aller auf der Welt produzierten Güter und Dienstleistungen BIP (eigene Grafik nach einer Abbildung aus Spiegel 2011 Nr. 34)

Und wer glaubt, diese verbrecherische Finanzwirtschaft, die vom Staat gerettet wurde und immer weiter gerettet wird, hätte nach den schlechten Erfahrungen der letzten Jahre die Finger von diesen Geschäften gelassen, der täuscht sich sehr. Die weltweiten Geschäfte mit Derivaten haben nach den schlechten Erfahrungen nicht ab- sondern zugenommen: Gemäß dem Spiegel Nr. 50/2011 ist der Handel mit Derivaten (beziehungsweise der nominale Wert von außerbörslich gehandelten Verträgen) von 683,7 Billionen Dollar im Juni 2008 auf 707,6 Billionen Dollar im Juni 2011 weiter angestiegen. Der Spiegel schrieb dazu: „Ursprünglich sicherten die Derivate Geschäftsrisiken ab. Aber der rasante Aufstieg seit 2000 weist darauf hin, dass sich der Handel mit Derivaten von der realen Wirtschaft gelöst hat und überwiegend der Spekulation dient.“

Banken in die Insolvenz schicken

Na, Donnerwetter, was für eine Einsicht! Die Taten, die daraus folgen müssten, können nur so aussehen, dass die Banken, die durch solche Geschäfte in finanzielle Schwierigkeiten gerieten, nicht immer weiter gerettet, sondern in die Insolvenz geschickt werden. Stattdessen zwingen die Banken die willfährigen europäischen Regierungen, für die Billionenverluste an Spekulationen mit Credit Default Swaps etc. aufzukommen (s. hier und hier). Bereits Ende Dezember 2011 schrieben die Deutschen Mittelstands Nachrichten

Europa: Heimliche Bankenrettung hat begonnen – Die europäischen Regierungen haben neue Konstruktionen entwickelt, um Banken-Crashs zu verhindern. Sie stützen die Banken, ohne dass dies in der Öffentlichkeit bemerkt wird.

MMNews schrieb ebenfalls Ende Dezember 2011:

Geldflut für europäische Banken: Die EZB verteilte heute 489 Milliarden Euro an marode Kreditinstitute in Europa. Als Sicherheiten dafür akzeptiere die Notenbank unter anderem auch Papiere, welche die Banken sonst nirgendwo mehr los kriegen.

Und der deutsche Wirtschaftsprofessor Stefan Homburg sagte in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung,

dass der wahre und einzige Zwecke der immer neuen Rettungsschirme die Rettung der Banken sei. Die Banken brauchen diese Rettungsschirme, um ihr Geschäftsmodell aufrechtzuerhalten.

De facto ist es bereits so, dass geschieht, was eigentlich nicht geschehen sollte, dass die EZB diese alten wertlosen Schrottpapiere aufkauft und die Banken davon – auf Kosten der Steuerzahler – befreit. Dieses Spiel wird aber angesichts der in Rede stehenden Summen niemals zu gewinnen sein: 700 Billionen Euro werden aus der realen Volkswirtschaft niemals zurückgezahlt werden können.

Damit tritt also ein, was Joseph Stieglitz mit Blick auf amerikanische Verhältnisse – die aber hier ebenfalls zutreffen – kritisierte: nämlich eine finanzielle Hilfe für Banken, ohne diese unter Staatsaufsicht zu stellen.

Ich halte die „bad bank“ für eine schlechte Idee, wenn sie nicht mit einer Verstaatlichung einhergeht. Wir sollten alle Pläne ablehnen, die auf „cash for trash“ hinauslaufen. Sie sind nur ein weiteres Beispiel für die Voodoo-Ökonomie, die im Finanzsektor so lange dominiert hatte. Also für die Art von Alchemie, die es den Banken erlaubte, hochriskante Subprime-Darlehen so zu tranchieren und zu mixen, dass sie am Ende wie bombensichere Bankobligationen aussahen. Irgendwie glaubt man auch jetzt wieder, durch die Verschiebung von faulen Vermögenswerten („bad assets“) in eine „aggregator bank“ könnten reale Werte entstehen. Ich vermute allerdings, dass die Wall Street über diesen Plan nicht etwa deshalb begeistert ist, weil die Banker in dieser Schrottentsorgung ein vorteilhaftes Geschäft für den Staat sehen, sondern weil sie auf einen nicht transparenten Geldsegen hoffen, den ihnen das US-Finanzministerium mit der Abnahme ihrer Schrottpapiere zu hohen Preisen bescheren wird.

Solange man das nicht einsieht und immer weiter von Staatsschuldenkrise redet und nicht von einer von den anglo-amerikanischen Finanzmärkten bewusst erzeugtem Wirtschaftskrieg, solange werden die Völker und Menschen Europas sich eben von den Finanzeliten Europas und den ihnen ergebenen Regierungen (sowie den Medien) an der Nase herumführen lassen und immer weiter zahlen. Bei diesem Wirtschaftskrieg geht es nicht darum, den Euro zu retten, wie uns unsere Politiker weismachen wollen, sondern darum, dass sich die internationalen Finanzoligarchen sich unter dem Deckmantel der Eurorettung und Staatsschuldenkrise die Welt unter den Nagel reißen. Wenn das nicht eingesehen wird und diese Banken nicht liquidiert werden, werden den Menschen in kurzer Zeit ihre Länder nicht mehr gehören.

Sicher ist es richtig, was an vielen Stellen gefordert wird: ein Trennbankensystem zu installieren, das es ermöglicht, Banken, die sich mit unseriösen Spekulationen verspekuliert haben, insolvent gehen zu lassen. Aber noch wichtiger ist es, eine Trennung der Politik von der Finanzwirtschaft, überhaupt vom Wirtschaftsleben einzuführen. Diese beiden Bereiche sind heute zum Schaden der Menschen in Europa verfilzt und müssen in selbständige, voneinander unabhängige Institutionen getrennt werden. Ohne eine solche Loslösung voneinander wird es keine gedeihliche Zukunft in Europa geben trotz all dem „Wir müssen für Europa Opfer bringen“-Gesang so vieler Politiker. Denn auf diesem Weg hin zu einer politischen Union und den Vereinigten Staaten von Europa werden diese ihre Selbständigkeit und Freiheit verlieren.


Banken in die Insolvenz schicken! – Stattdessen wird Europa für deren unbezahlbare Spekulationsverluste immer weiter zahlen wurde am 18.01.2012 unter Politik, Soziale Frage veröffentlicht.

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