Rudolf Steiner zum Schwellenübertritt der Menschheit (2)

 

GA 190 Seite: 162 

Stellen wir uns kurz noch einmal vor Augen, was wir gestern versuchten uns klarzumachen. Wir sagten: Die gegenwärtige Menschheit, insofern sie als zivilisierte Menschheit in Betracht kommt, geht als ganze Menschheit durch Ähnliches hindurch, was man in der individuellen Entwickelung des einzelnen Menschen bezeichnen kann als das Überschreiten der Schwelle zur übersinnlichen Welt. Wenn man nun so, wie ich es getan habe in dem Buche «Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten?» und in der Schrift «Die Schwelle der geistigen Welt», die Entwickelung des einzelnen Menschen bespricht, so meint man gewöhnlich den bewußten Aufstieg in das übersinnliche Leben. Dann meint man auch mit dem Überschreiten der Schwelle einen ganz bewußten Vorgang, wie wir ihn eben Öfters beschrieben haben. Ich sagte nun gestern, daß man die Begriffe nicht pressen darf, wenn man genötigt ist, sie von einem Gebiet auf das andere zu übertragen. Deshalb muß ich sagen: Was die Menschheit jetzt als Ganzes durchläuft, ist etwas Ähnliches wie ein Überschreiten der Schwelle. Denn ich deutete schon an, es könnte ja geschehen, es wäre ja durchaus möglich, daß die Menschheit Geisteswissenschaft ablehnte. Dann würde sie kein Mittel haben, um etwas davon zu wissen, daß von der ganzen Menschheit ein solcher Prozeß durchgemacht wird wie das Überschreiten der Schwelle. Überhaupt finden ganz andere Vorgänge statt bei dem, was zu gelten hat als Überschreiten der Schwelle für die ganze Menschheit, als stattfinden beim einzelnen Menschen, wenn er bewußterweise den Gang in die übersinnliche Welt hinein tut. Und ich habe gestern schon angedeutet, daß das Wesentliche für die ganze Menschheit beim Überschreiten der Schwelle, wie es geschehen muß im Laufe der fünften nachatlantischen Zeit, der Zeit der Bewußtseinsentwickelung, besteht in dieser Ihnen dem Wesen nach bekannten Spaltung in die drei Seelenfähigkeiten zu einer gewissen Selbständigkeit. Denken, Fühlen und Wollen bleiben für die Gesamtmenschheit – also nicht für den einzelnen Menschen spreche ich jetzt, sondern für die Menschheit, insofern diese Menschheit miteinander verkehrt -, Denken, Fühlen und Wollen bleiben für die gesamte Menschheit nicht so chaotisch verschmolzen, wie sie es jetzt sind. Es gliedert sich das seelische Leben dieser ganzen Menschheit so, daß sie eben mehr als bisher selbständig empfindet ihr Denken, ihr Fühlen, ihr Wollen. Und deshalb braucht diese Menschheit die Gliederung in die drei Gebiete des sozialen Organismus in der Zukunft, die sie bisher nicht in dieser Weise brauchte. Wenn man also von dieser Dreigliederung des sozialen Organismus heute redet, redet man aus dem Bewußtsein heraus von etwas, was nach geistigen Gesetzen des Universums mit der ganzen Menschheit sich notwendig vollzieht. 

Nun darf nicht der Fehler gemacht werden, daß gleich allzusehr in einzelnen Ereignissen, die da oder dort auftreten, das Umfassende, das Große gefunden werde. Wir haben seit der Mitte des 15. Jahrhunderts erst einen kleinen Teil von dem Zeitalter der Bewußtseinsseelen-Entwickelung durchlebt. Ein solcher Zeitraum dauert über zweitausend Jahre. Dieses Zeitalter der Bewußtseinsseelen-Entwickelung wird also noch lange dauern, und das wird sich in verschiedenen Stadien, durch verschiedene Ereignisse hindurch geltend machen, was man aber doch schon als dieses Überschreiten der Schwelle zum Übersinnlichen begreifen muß. Also den Fehler bitte ich Sie in Ihrem Denken nicht zu begehen, daß Sie etwa die gegenwärtige Weltkatastrophe allein identifizieren mit dem Umfassenden, von dem ich gestern gesprochen habe. Das wäre ein Fehler, wenn Sie das täten. Aber kein Fehler ist es, wenn man die Ereignisse, in denen man lebt, das, was um einen herum vorgeht, zu verstehen sucht aus den großen Vorgängen heraus, welche lange Zeitalter umfassen. Denn nur dann findet man sich in bezug auf die einzelnen Ereignisse zurecht, wenn man sie so versteht. Deshalb lassen Sie uns heute etwas besprechen, was gewissermaßen zur Symptomatologie, zur Kennzeichnung der Symptome dieser Entwickelung des fünften nachatlantischen Zeitraums nach dem Überschreiten der Schwelle gehört. 

Ganz besonders deutlich ist das Heraufkommen der Zeit der Bewußtseinsseelen-Entwickelung gerade an der mitteleuropäischen Kultur zu sehen. Es bereitet sich dieses Heraufkommen der mkteleuropäischen Kultur allerdings schon seit dem 10., 11., 12. und 13. Jahrhundert deutlich vor, führt dann zu gewissen Ereignissen, die wir gleich besprechen wollen, und gestaltet sich in diesem Mitteleuropa so, daß es ganz besonders jetzt in dem gegenwärtigen Augenblick der Menschheitsentwickelung zur mitteleuropäischen Katastrophe geführt hat und eben einfach weiter führen muß. 

Es ist schon so, daß dieses Mitteleuropa eigentlich dazu verurteilt ist, gewisse Dinge erstens schneller, zweitens aber auch energischer, charakteristischer zu erleben als das übrige Europa. Man kann sagen: Deutlich kann man sehen, wie gegen das 15. Jahrhundert zu in Mitteleuropa das heraufkommt, was das Zeitalter der Bewußtseinsseelen-Entwickelung einleitet. Und jetzt kann man an den katastrophalen Ereignissen gerade Mitteleuropas sehen, welchen schwierigen Weg die Menschheit gerade in diesem Zeitalter der Bewußtseinsseelen-Entwickelung zu durchmessen hat, welche schwierigen Kämpfe, welche furchtbaren Erschütterungen durchzumachen sind, damit das Zeitalter der Bewußtseinsseelen-Entwickelung die Impulse, die in ihm liegen, an die Oberfläche der geschichtlichen Entwickelung treiben kann. Da kann es insbesondere von einer gewissen Bedeutung sein, wenn man den Zeitpunkt etwa um das Jahr 1200 für Mitteleuropa ins Auge faßt. …

 

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Rudolf Steiner zum Schwellenübertritt der Menschheit (2) wurde am 13.10.2021 unter Hide veröffentlicht.

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