Ich weiß ganz gut, dass für die meisten Menschen dieses Thema des reinen Denkens als Grundlage der Freiheit eine Zumutung darstellt

 

von Ingo Hagel 

 

Darauf hat ja bereits Rudolf Steiner hingewiesen, dass seine beiden Bücher „Wahrheit und Wissenschaft“ und „Die Philosophie der Freiheit“ nur für Menschen bestimmt sind, die in eine gründlichere und strengere Denkschulung eintreten wollen. Das dürften heute – für die Zukunft sieht das wiederum anders aus – nicht allzu viele Menschen sein.

Aber wenn nun schon einmal Herbert Ludwig (verdienstvollerweise!) in seinem Artikel so stark auf die „Philosophie der Freiheit“ verweist, dann sollte dieser Weg zur Freiheit – obwohl er den meisten Menschen erstmal wenig sagen dürfte, und man sich als „abgehobener Spinner“ unbeliebt macht – doch dem Inhalt dieses Buches gemäß geschildert werden. Selbstverständlich erfährt man von den meisten Menschen – die ansonsten zwar immer gerne auf ihre Freiheit pochen – nicht gerade Sympathien mit dem Ansinnen, dass heute wieder diese Technik des reinen Denkens auszubilden ist, die bereits die mittelalterliche Scholastik zu einer Hochblüte getrieben hatte:

Rudolf Steiner: Sie entwickelte die Praxis des Denkens in der Ideenbildung, in dem Ideenzusammenhang. Sie bildete eine reine Technik des Denkens aus, eine Technik, die jetzt schon wieder verlorengegangen ist. Dasjenige, was in der Scholastik als Denktechnik enthalten war, das sollten die Menschen wiederum sich aneignen. Aber man tut es in der Gegenwart nicht gern, weil in der Gegenwart alles darauf ausgeht, die Erkenntnis passiv zu empfangen, nicht sie sich aktiv zu erwerben, aktiv zu erobern.

Anmerkung IH: Zur Aneignung dieser scholastischen Denktechnik muss man allerdings nicht die Scholastik selber studieren, denn sie ist in Rudolf Steiners „Philosophie der Freiheit“ enthalten.

Und ich verstehe ebenfalls sehr gut und nehme es täglich wahr, dass viele Menschen in einem mehr oder weniger verzweifelten Daseinskampf stehen, –

die einen, weil sie am Rande des Existenzminimums fast untergehen – die anderen, weil sie nicht mehr wissen, welche Genüsse sie sich noch zuführen könnten, um noch ein bisschen Spaß aus ihrem ausgelutschten Leib zu kitzeln – die dritten, weil deren Denkorganismus nach 50 Jahren antiautoritärem Kindergarten, kausal-analytischer Denkprägung in Schule, Ausbildung und Studium sowie rund 958 Tatort-Folgen usw. derart korrumpiert ist, dass sie mit so etwas nichts mehr anzufangen wissen –

und daher für so „flüchtige“ und „unpraktische“ Themen wie das reine Denken keinen Sinn entwickeln dürften. Allerdings kommt die Gesellschaft nicht nur im kulturell-geistig-wissenschaftlichen Bereich sondern auch im sonstigen sozialen, politischen, finanziellen und wirtschaftlichen Betrieb immer mehr an Grenzen. Wie ist es also mit denen, die ihr Geld von Berufs wegen damit verdienen, dass sie ihren Grips anstrengen (denken), sei es in der Forschung, sei es in der Lehre, sei es in der Schule, sei es in irgendwelchen leitenden Tätigkeiten in der Wirtschaft, den Medien, der politischen Administration usw.? Darf man nicht an diese Menschen sehr wohl die Forderung stellen, sich in tieferer Weise mit den gedanklichen und ideellen Hintergründen unserer Welt zu beschäftigen. Zumal diese Welt in ihren Lebensrealitäten immer deutlicher zeigt, dass das gewöhnliche Denken des Alltags und der gewöhnlichen Wissenschaft, mit der der Mensch dieser Welt bewältigen will, völlig unzureichend ist.

Natürlich lehrt die Erfahrung, dass ein solches Ansinnen vor allem diejenigen, die es am meisten interessieren müsste, nämlich die Wissenschaftler – also diejenigen die von Berufs wegen Erkenntnis suchen sollen – am wenigsten interessiert, denn sie haben ja durch Schule, Ausbildung, Amt und Beruf die Aufgabe erhalten, ganz nach außen und „objektiv“ zu arbeiten. Das reine Denken setzt allerdings ganz innen an und scheint „subjektiv“ zu sein. Das eine soll ja nicht aufgegeben werden, nur soll die völlig unzureichende Durchdringung der wissenschaftlichen Beobachtungen mit dem Denken einen Ausgleich erfahren.

Rudolf Steiner hat sich nie gegen die Naturwissenschaft gewendet oder gegen die moderne Wissenschaft überhaupt, niemals gegen das, was diese beobachtet hat, sondern höchstens gegen die materialistischen Schlüsse, die man aus diesen Beobachtungen gezogen hat. Aber diese sind ja wiederum die Folge einer unzureichend ausgebildeten Denktechnik.

Mit so einem heutigen Studium ist doch im Leben überhaupt nicht auszukommen. Wir bekommen damit Menschen und Führungspersönlichkeiten, die die Gesellschaften immer weiter auf die abschüssige Bahn führen werden, wenn dieses Studium nicht flankiert wird durch eine intensive Ausbildung der Denktätigkeit und der Denkfähigkeit.

Man könnte also sagen: Nun gut, dann steht also eine Erneuerung – oder eine Erweiterung, Ergänzung, wie man es auch nennen will – der Wissenschaft an. So ist es, und natürlich nicht nur das, sondern überhaupt eine Erneuerung des gesellschaftlichen, sozialen und geistigen Lebens. Über die Richtung, in der diese Erweiterung sinnvollerweise nur gehen kann, habe ich versucht, mich hier in diesem Artikel und überhaupt auf dieser Homepage etwas ausführlicher auszudrücken.

Aber weil das alles so schwierig ist, versteht man Rudolf Steiner vielleicht etwas besser, der sagte, dass noch viel Wasser die europäischen Ströme hinunterfließen müsse, bis auch nur ein paar Menschen wirklich verstanden haben, was Freiheit wirklich ist. Was ebensoviel heißt wie: Es müssen sich genügend Menschen gefunden haben, die wirklich dieses reine Denken so in sich realisiert haben, dass es erstens den Menschen aus seinen (auch politischen, sozialen usw.) Trieben und Leidenschaften herauslösen kann. Zweitens muss sich der Mensch aus der Leibgebundenheit seines Denkens befreit haben.

Mit dieser Befreiung des Geistes ist immer ein Abbau des physischen Leibes verbunden; Rudolf Steiner weist nicht nur in der „Philosophie der Freiheit“ auf diese Zurückdrängung der menschlichen Organisation und deren Tätigkeit durch das Denken hin. Auf diesen Abbau – und damit auf das Sterben -geht man zwar sowieso seit der Geburt und mit zunehmenden Alter immer stärker zu. Er wird daher durch dieses Erüben des reinen Denkens intensiviert, was den Menschen noch ein Stück weit näher an das Sterben heranrückt und daher – so meinen diese – unbedingt zu vermeiden ist. Allerdings hat der bewusste Geist des Menschen nie mit dem Aufbau sondern immer mit dem Abbau des Leibes zu tun hat. Wer den Abbau des Leibes vermeiden will, muss im Leben auf geistigen Gewinn verzichten. Wer dagegen diesen durch das reine Denken hervorgerufenen Abbau in richtiger Weise betreibt – und nicht nur dadurch, dass er seinen Leib dem natürlichen Verfall entgegengehen lässt – der realisiert damit ein neues (geistiges) Leben (Spiritualität). Dieses enthält zwar erst einmal nur – weil es sich im reinen Denken vollzieht – Gedanken und Ideen in Form von Bildern – Es ist damit aber die Freiheit sowie die solide Basis gegeben, von diesem reinen Denken ausgehend – wenn man will – Realität in diese Bilder einer geistigen Welt zu bringen. Damit wäre dann allerdings von dieser sicheren Denkgrundlage einer „Philosophie der Freiheit“ aus das Gebiet einer geistigen Erkenntnis (Anthroposophie) erreicht worden. Das lehnen die Menschen heute noch ab, obwohl jeder Blick in die Wissenschaft und in die sozialen Gestaltungen das fordert. Grundlage dieser Ablehnung ist letzten Endes Furcht vor dem Geist: Die Menschen empfinden instinktiv, dass ihre denkerischen Fähigkeiten dem nicht genügen. Aber das ist nun auch wiederum nicht ein Argument gegen sondern für das reine Denken der „Philosophie der Freiheit“.

Und drittens – weil das reine Denken ebenso gut als reiner Wille bezeichnet werden kann – muss der Mensch durch dieses reine Denken die nötige Willenskraft realisieren, die für die Überwindung der Unfreiheit – die zuallererst er selber darstellt – und für die Eroberung und Realisierung der Freiheit nötig ist.

Wie gesagt, das scheint alles wie eine ferne Zukunftsmusik zu klingen. Die Zeitereignisse zeigen allerdings nur zu deutlich, das nicht morgen sondern heute mit dieser Arbeit begonnen werden muss, wenn der Mensch gegen das gewappnet sein soll, was aus der Zukunft heran rollt – und das meine ich überhaupt nicht nur im Negativen sondern auch im positiven Sinne.

 

 

 

 

Teil 1) Warum nehmen so viele Menschen die Unfreiheit hin? – Wie lässt sich Freiheit wirklich begründen?

Teil 2) Die Triebfedern einer Handlung

Teil 3) Die Motive einer Handlung

Teil 4) Willkommen im anthroposophischen Absurdistan: Herbert Ludwig verschweigt dem Leser, wie er wirklich Freiheit begründen kann

Teil 5) Ohne das reine Denken, das im ersten Teil der „Philosophie der Freiheit“ begründet wird, ist Freiheit unmöglich

Teil 6) Nur mit einer „Wirklichkeit der Freiheit“ des zweiten Teiles der „Philosophie der Freiheit“ ergeben sich nur „zuchtlose Geister“ – Wirkliche Freiheit kann nur realisiert werden durch das reine Denken einer „Wissenschaft der Freiheit“ (des ersten Teiles der „Philosophie der Freiheit“)

Teil 7) Aber was ist und wie komme ich denn nun zum reinen Denken?

Teil 8) Eine weitere Möglichkeit, um dieses reine Denken zu üben

Teil 9) Ich weiß ganz gut, dass für die meisten Menschen dieses Thema des reinen Denkens als Grundlage der Freiheit eine Zumutung darstellt

 

 

 

 

 

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Ich weiß ganz gut, dass für die meisten Menschen dieses Thema des reinen Denkens als Grundlage der Freiheit eine Zumutung darstellt wurde am 20.08.2015 unter Hide veröffentlicht.

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