Rudolf Steiner zum Pessimismus und zum vergeblichen Wunsch, eine Glückseligkeit anzustreben – Goethe: «Unser ganzes Kunststück besteht darin, dass wir unsere Existenz aufgeben, um zu existieren.»
Aus Nummer 1 der Rudolf Steiner Gesamtausgabe, Seite 127:
Hartmanns Philosophie ist von meiner nur durch die Pessimismus-Frage und durch die metaphysische Zuspitzung des Systems nach dem «Unbewussten» verschieden. Was den letzteren Punkt betrifft, wolle man weiter unten nachsehen. In bezug auf den Pessimismus aber sei folgendes bemerkt: Was Hartmann als Gründe für den Pessimismus anführt, d. h. für die Ansicht, dass uns nichts in der Welt voll befriedigen kann, dass stets die Unlust die Lust überwiegt, das möchte ich geradezu als das Glück der Menschheit bezeichnen. Was er vorbringt, sind für mich nur Beweise dafür, dass es vergebens ist, eine Glückseligkeit zu erstreben. Wir müssen eben ein solches Bestreben ganz aufgeben und unsere Bestimmung rein darinnen suchen, selbstlos jene idealen Aufgaben zu erfüllen, die uns unsere Vernunft vorzeichnet. Was heißt das anders, als dass wir nur im Schaffen, in rastloser Tätigkeit unser Glück suchen sollen?
Nur der Tätige und zwar der selbstlos Tätige, der mit seiner Tätigkeit keinen Lohn anstrebt, erfüllt seine Bestimmung. Es ist töricht, für seine Tätigkeit belohnt sein zu wollen; es gibt keinen wahren Lohn. Hier sollte Hartmann weiterbauen. Er sollte zeigen, was denn unter solchen Voraussetzungen die einzige Triebfeder aller unserer Handlungen sein kann. Es kann, wenn die Aussicht auf ein erstrebtes Ziel wegfällt, nur die selbstlose Hingabe an das Objekt sein, dem man seine Tätigkeit widmet, es kann nur die Liebe sein. Nur eine Handlung aus Liebe kann eine sittliche sein. Die Idee muss in der Wissenschaft, die Liebe im Handeln unser Leitstern sein. Und damit sind wir wieder bei Goethe angelangt. «Dem tätigen Menschen kommt es darauf an, dass er das Rechte tue, ob das Rechte geschehe, soll ihn nicht kümmern.» «Unser ganzes Kunststück besteht darin, dass wir unsere Existenz aufgeben, um zu existieren.» («Sprüche in Prosa»; Natw. Schr., 4. Bd., 2. Abt., S. 464 u. 441.)
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