Wenn Du denkst, Du denkst, dann denkst Du nur, Du denkst

 

von Ingo Hagel 

 

 

 

 

Ich denke, man denkt nicht ganz unrichtig, wenn man denkt, dass der erkenntnistheoretisch gehaltvolle Titel des oben angeführten Schlagers (der ZDF Disco 1975) nur in Deutschland hatte entstehen können – also im ehemaligen Land der Dichter und Denker. – 

Damals! Heute wäre selbst dieses Wenige – ist ja nur ein Titel – nicht mehr möglich. –

Auch wenn der übrige Inhalt des Liedes den Zuhörer in die moralischen Untiefen und leidenschaftlichen Abgründe der Vorgänge in einer deutschen Macho-Kneipe führt, drückt allein dieser Titel doch schon etwas sehr Wichtiges aus, das allerdings ausgearbeitet und ins denkende Bewusstsein gehoben werden gehört, weil es ansonsten weiter schwer und beklemmend – 

da unerkannt und unbearbeitet –

auf den Seelen dieses Volkes lastet.   

  

Beim gewöhnlichen Denken denkt eben nicht der wirkliche ganze Mensch, 

denkt nicht ein engagiertes Ich, sondern es denkt nur des Menschen Leib – beziehungsweise sein Kopf. Das gewöhnliche Denken ist nicht real, es stellt die Realität nur vor – und gaukelt dem Menschen vor, er würde denken. 

Das gewöhnliche Denken stellt zudem nur Gedanken vor, die an der Sinneswelt entwickelt worden sind. Deren Repräsentationen und Vorstellungen sind allerdings, wie beschrieben, solange keine Wirklichkeit, bevor an ihnen nicht auch noch der zugehörige gedankliche Teil erarbeitet worden ist. Denn nur mit den begriffslosen Schatten der Sinneswelt im menschlichen Bewusstsein gibt es keine Wirklichkeit, sondern nur Traum.  

Man denkt, man würde denken, aber diese Gedanken des gewöhnlichen Bewusstseins sind nur wie der leichte, substanzlose Schaum, der sich zwar hochmütig auf einem Bier in die Höhe reckt, aber vom göttlichen Schankwirt als wesen- und bedeutungslos mit dem Bierspatel in den Ausguss gestrichen wird. 

Diese Gedanken des gewöhnlichen Bewusstseins sind leibgebundene Bilder eines Bewusstseins, das es sich auf dem Barhocker der Sinneswahrnehmungen und der physiologischen Vorgänge des Leibes gemütlich gemacht hat, um dort im Schummerlicht einer irrealen Halbwelt sein parasitäres Leben zu fristen.   

 

Aber auch der idealistische Gedanke ist noch keine wirkliche geistige Realität, 

selbst wenn man denkt, man würde seine Ideale doch so stark denken, dass man sie fast anfassen könnte. Rudolf Steiner hat das einmal in einem öffentlichen (!) Vortrag –

wir staunen immer wieder, was damals Alles in Deutschland noch möglich war – 

so beschrieben (GA 65 S. 530):    

Ja, wie nimmt sich denn nun dieses Seelenleben aus, wenn wir es im Lichte der Naturwissenschaft betrachten? Wenn wir es im Lichte der Naturwissenschaft betrachten, da hat der Mensch Leidenschaften. Sie scheinen aus dem Untergrund seines Willens hervorzugehen, aber wenn wir näher nachforschen, so finden wir allerlei bloß physiologische Gründe, Gründe dieses Leibeslebens. Wir finden, dass der Mensch Begriffe und Ideen darlebt. 

Aber wir finden überall die mechanischen Ursachen für diese Ideen, Begriffe. Wir finden endlich im Menschenleben Ideale. Der Mensch sagt sich, diese Ideale seien etwas Göttliches. Wenn wir aber nachforschen, was der Mensch eigentlich ist, so gewahren wir, wie er aus seinem physiologischen Element, aus seinem Leibeselement heraus seine Ideale gebiert und sie sich nur umträumt in etwas, was ihm von den Göttern geschenkt sein soll. Da ist das, was der Mensch im Alltagsleben als seine aus dem Leib herausgeborenen Sehnsuchten empfindet, was aus dem Fleisch, aus dem Blut heraus geboren ist, was sich ihm als Ideale darstellt, was aber nicht aus höheren geistigen Welten stammt, sondern eben wie der Schaum ist, der aus dem Leibesleben heraufsteigt, nicht höchstes Menschliches – sondern nur Menschliches-Allzumenschliches. 

 

Aber die „Philosophie der Freiheit“ Rudolf Steiners bietet in ihrem lebendigen, konkreten Denken 

in ihren scharfen Denklinien dem Menschen die Möglichkeit, aus diesem Schaum des leibgebundenen gewöhnlichen Sinnesbewusstseins, aus „Menschlich-Allzumenschlichem“ langsam zu etwas Höherem durchzudringen, indem er an dieser Philosophie lernen kann, ersteinmal sinnlichkeitsfreie, reine Begriffe zu denken. Damit ist die angemessene, sichere Grundlage für Weiteres geschaffen, indem man üben und lernen kann, nicht nur Sinnesdinge zu beobachten, sondern reine Gedanken als erste Manifestationen eines realen, wesenhaften Geistigen. Und daher schrieb Rudolf Steiner in seiner „Philosophie der Freiheit“:

Wer das Denken beobachtet, lebt während der Beobachtung unmittelbar in einem geistigen, sich selbst tragenden Wesensweben darinnen. Ja, man kann sagen, wer die Wesenheit des Geistigen in der Gestalt, in der sie sich dem Menschen zunächst darbietet, erfassen will, kann dies in dem auf sich selbst beruhenden Denken.  

  

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Wenn Du denkst, Du denkst, dann denkst Du nur, Du denkst wurde am 14.05.2023 unter Zum Zeitgeschehen veröffentlicht.

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