Zuchtlose Geister

 

von Ingo Hagel

        

Viele Menschen, die – 

vielleicht, meistens aber eher nicht – 

Rudolf Steiners „Philosophie der Freiheit“ lesen wollen –

siehe dazu auch die vielen Artikel hier auf Umkreis-Online –

haben größte Schwierigkeiten mit der strengen Erarbeitung der Begriffe vor allem des ersten Teiles dieses Buches. Diese ist aber nötig, um eine solide Grundlage für den zweiten Teil zu schaffen. Ist diese solide begriffliche Fundierung des ersten Teiles nicht vorhanden, weil sich die Leute um diese „unangenehme Angelegenheit“ herumgedrückt haben, da sie

für Viele etwas Abstoßendes, etwas Unbequemes

hat, ergeben sich bei der Lektüre des zweiten Teiles nur zuchtlose Geister„, worauf Rudolf Steiner hier in dieser GA 185 hinweist. Ich habe auf dieser Angelegenheit vor einiger Zeit bereits in diesem Artikel hingewiesen. 

 

Heute leben wir in den sozialen, politischen und wissenschaftlichen Konsequenzen dieses zuchtlosen Denkens, dieser zuchtlosen Geister. 

Davon ist in den Artikeln hier auf Umkreis-Online und in den vielen Posts und Beiträgen auf der Seite Zum Zeitgeschehen sowie in der Rubrik – nur zum Beispiel – zum Verfall des Verstandes und so weiter und so fort viel Anschauungsmaterial geliefert worden. So gehen die Dinge – auch ohne dass man die „Philosophie der Freiheit“ falsch liest. Die Dinge gehen vor allem so, wenn man die „Philosophie der Freiheit“ überhaupt nicht liest – und sich auch sonst niemand in dieser sogenannten „auf Wissenschaft beruhenden Welt“ und deren Gesellschaften und „Experten“ sich dafür interessiert, so dass die Impulse eines solchen gesunden und gesundenden Denkens dieser „Philosophie der Freiheit“ in das allgemeine kulturelle Leben einfließen könnten. 

Wer die heutige Zeit betrachtet mit alledem, was heraufzieht, der wird finden, daß in dem, was heraufzieht, gerade dasjenige fehlt, was die «Philosophie der Freiheit» will. Die «Philosophie der Freiheit» begründet in einer freien, geistigen Denkerarbeit eine zwar mit der Naturwissenschaft völlig im Einklang stehende, aber über die Naturwissenschaft eben frei hinausgehende Wissenschaft von der Freiheit.

Wie gesagt ist wenig Interesse für dieses Buch vorhanden. Aber das hat dann auch bestimmte Konsequenzen.

Denn wie gehen die Angelegenheiten heute? 

Sie gehen – nur zum Beispiel – so, dass viele Jugendliche – 

von denen sehr Viele aus früheren Zeiten bis heute natürlich älter oder alt geworden sind und in mehr oder weniger einflussreichen Positionen sitzen –

mit dieser einzig und allein am Gängelband der Sinneswahrnehmungen geführten Wissenschaft und sogenannten „Kultur“ –

also die vielgepriesenen „westlichen Werte“ und so weiter –

in ihrem Herzen überhaupt nichts anfangen können. Man kann damit ja auch nichts Lebendiges anfangen – außer tote Technik zu entwickeln: 

Zu einer Philosophie der Freiheit kann derjenige nicht kommen, welcher nach der Anleitung der modernen naturwissenschaftlichen Erziehung sein Denken bloß am Gängelbande der äußeren Sinnenfälligkeit hinführen will. Das ist gerade das Tragische in unserer Zeit, daß die Menschen überall auf unsern Hochschulen dazu erzogen werden, ihr Denken am Gängelbande der äußeren Sinnlichkeit zu führen. Dadurch sind wir in ein Zeitalter hineingeraten, welches mehr oder weniger hilflos ist in allen ethischen, sozialen und politischen Fragen.

  

Viele von diesen jungen Menschen erwarteten – damals – und erwarten – heute – in ihren Herzen 

etwas völlig Anderes von Denen, die sie lehren. –

Oft hat Rudolf Steiner auf dieses Problem, das mit jeder heranrückenden Generation von jungen Menschen nur noch drängender wird, hingewiesen. –

Das kommt aber seit mindestens 135 Jahren nicht – 

also seit der Zeit, in der damals Rudolf Steiner anfing über Goethes wissenschaftlichen Impuls zu schreiben. Aber damit können heute ja noch nicht einmal die Goetheforscher etwas anfangen. – 

So drücken diese armen Menschen immer weiter auf ihren Computern und Smartphones herum, aber lernen nicht ordentlich denken. Und lernen auch nichts Ordentliches über die Welt.

 

 

Die jungen Menschen haben aber bestimmte größere oder kleinere soziale Impulse. 

Die setzen sie dann eben um, wenn sich die Gelegenheit bietet, indem sie sich denjenigen Kräften –

entweder als Funktionäre, Aktivisten, oder einfach als Wähler –

an den Hals und an die Wahlurne werfen, die sie für ihre Zwecke mit den verschiedensten sinnentleerten und dummen Parolen ausnutzen. Man muss ja irgendwo auch sein Geld verdienen in dieser Welt. Und wenn das möglich ist, weil einem Keiner in dem Bereich, in dem man arbeitet, jemals gesagt hat, dass man Stuss fabriziert, sondern weil Alle einen lobten und in irgendwelche Talkshows schicken, dann ist das doch ganz prima möglich. Man trägt ja vielleicht auch ein hohes Anliegen in seinem Herzen – verfügt aber leider überhaupt nicht über die richtigen geistigen Mittel und Werkzeuge, um diese Probleme fruchtbar und heilbringend umzusetzen, weil das Denken heute überall auseinanderfällt und nur begrifflich sinnvoll und differenziert geordnet, geformt, gestaltet, also wieder auf die Reihe gebracht und eingerenkt werden kann durch – zum Beispiel – das, was die „Philosophie der Freiheit“ den Menschen geben kann, um jenes immer weiter um sich greifende zuchtlose Denken von zuchtlosen Geistern zu verhindern, das jeden Zusammenhang mit der Wirklichkeit verliert, und das diesen Zusammenhang auch niemals bekommen wird, wenn als Wirklichkeit immer nur das angesehen und anerkannt wird, was als sinnliche Realität den Menschen erscheint. Wer nur auf dieser Grundlage soziale Ideen verwirklichen will, wird scheitern, wie

alle scheiterten an dem, woran gescheitert werden muß: daß diese Ideen nicht aufgebaut sind auf einer geisteswissenschaftlichen Grundlage, auf der Grundlage eines freien wissenschaftlichen Denkens, sondern eines am Gängelbande der äußeren sinnenfälligen Welt sich korrumpierenden Denkens, wie das Denken der modernen positivistischen Wissenschaft ist.

  

 

 

Hier also zu diesem Thema eines zuchtlosen Denkens dieser zuchtlosen Geister 

ein paar ausführlichere Passagen aus dieser besagten GA 185, die Aspekte und Beiträge zu diesem großen Thema liefern –

das auch mit diesem kleinen Artikel hier überhaupt nicht ausgeschöpft ist –

wie denn diese „Philosophie der Freiheit“ richtig zu lesen und zu verstehen ist: 

 

Buch: 185 Seite: 129 

Nun, recht stark hineingestellt in dieses Milieu, verfaßte ich meine «Philosophie der Freiheit», diese «Philosophie der Freiheit», von der ich allerdings glaube, daß sie einen notwendigen Impuls der Gegenwart erfaßte. Ich rede das nicht aus persönlicher Albernheit, sondern um zu charakterisieren, was ich eigentlich wollte, und was ich auch heute noch wollen muß mit dieser «Philosophie der Freiheit». Ich schrieb diese «Philosophie der Freiheit», um auf der einen Seite die Idee der Freiheit, den Impuls der Freiheit, der im wesentlichen der Impuls des fünften nachatlantischen Zeitalters sein muß – er muß sich herausentwickeln aus den mancherlei anderen versplitterten Impulsen-, rein vor die Menschheit hinzustellen.

Dazu war ein Doppeltes notwendig. Erstens war notwendig, den Impuls der Freiheit stark zu verankern in dem, was man wissenschaftliche Begründung einer solchen Sache nennen kann. Daher ist der erste Teil meiner «Philosophie der Freiheit» derjenige, welchen ich überschrieben habe «Wissenschaft der Freiheit». Selbstverständlich war dieser Teil «Wissenschaft der Freiheit» für Viele etwas Abstoßendes, etwas Unbequemes, denn nun sollte man sich zu dem Impuls der Freiheit hinbequemen in der Art, daß man ihn solid verankert fühlen soll in streng wissenschaftlichen Betrachtungen, die allerdings auf der Freiheit des Gedankens fußten, die nicht verankert waren in demjenigen, was oftmals heute als naturwissenschaftlicher Monismus sich geltend macht. Es hat vielleicht dieser Abschnitt «Wissenschaft der Freiheit» einen kampfartigen Charakter. Der ist zu erklären aus der ganzen Geistesstimmung der damaligen Zeit heraus. Auseinanderzusetzen hatte ich mich mit der Philosophie des 19. Jahrhunderts, mit dem, was die Philosophie des 19. Jahrhunderts über die Welt gedacht hatte. Denn ich wollte den Freiheitsbegriff als Weltbegriff entwickeln, wollte zeigen, daß nur derjenige die Freiheit verstehen kann und sie auch nur in der richtigen Weise erfühlen kann, der einen Sinn dafür hat, daß im menschlichen Inneren sich nicht etwas abspielt, was nur irdisch ist, sondern daß der große kosmische Weltprozeß hindurchflutet durch das menschliche Innere und aufgefaßt werden kann im menschlichen Inneren. Und nur, wenn dieser große kosmische Weltprozeß im menschlichen Inneren aufgefangen wird, wenn er im menschlichen Inneren durchlebt wird, dann ist es möglich,  durch eine Erfassung des menschlichen Innersten als etwas Kosmischem zu einer Philosophie der Freiheit zu kommen. Zu einer Philosophie der Freiheit kann derjenige nicht kommen, welcher nach der Anleitung der modernen naturwissenschaftlichen Erziehung sein Denken bloß am Gängelbande der äußeren Sinnenfälligkeit hinführen will. Das ist gerade das Tragische in unserer Zeit, daß die Menschen überall auf unsern Hochschulen dazu erzogen werden, ihr Denken am Gängelbande der äußeren Sinnlichkeit zu führen. Dadurch sind wir in ein Zeitalter hineingeraten, welches mehr oder weniger hilflos ist in allen ethischen, sozialen und politischen Fragen. Denn nimmermehr wird dasjenige Denken, das sich nur am Gängelbande der äußeren Sinnlichkeit führen läßt, in der Lage sein, sich innerlich so zu befreien, daß es zu den Intuitionen aufsteigt, zu denen es aufsteigen muß, wenn dieses Denken sich betätigen will innerhalb der Sphäre des menschlichen Handelns. Daher ist der Impuls der Freiheit geradezu ausgeschaltet worden durch dieses am Gängelbande geführte Denken. 

Das war das erste, was natürlich den Zeitgenossen unbequem war an meiner «Philosophie der Freiheit», daß sie sich hätten bequemen müssen, nun wirklich zunächst sich durchzuringen in einem sich selbst in Zucht nehmenden Denken zu einer Wissenschaft von der Freiheit. 

Der zweite größere Abschnitt handelt dann von der Wirklichkeit der Freiheit. Da kam es mir darauf an zu zeigen, wie die Freiheit im äußeren Leben sich ausgestalten muß, wie die Freiheit wirklicher Impuls des menschlichen Handelns, des sozialen Lebens werden kann. Da handelte es sich mir darum zu zeigen, wie der Mensch aufsteigen kann dazu, sich in seinem Handeln wirklich als freier Geist zu fühlen. Und diejenigen Dinge, die ich dazumal schrieb, sie sind, wie ich meine, etwas, was gerade heute, fünfundzwanzig Jahre hinterher, sehr wohl von den Seelen aufgefaßt werden könnte gegenüber dem, was in der äußeren Welt uns entgegentritt.

Buch: 185 Seite: 142 

Wer die heutige Zeit betrachtet mit alledem, was heraufzieht, der wird finden, daß in dem, was heraufzieht, gerade dasjenige fehlt, was die «Philosophie der Freiheit» will. Die «Philosophie der Freiheit» begründet in einer freien, geistigen Denkerarbeit eine zwar mit der Naturwissenschaft völlig im Einklang stehende, aber über die Naturwissenschaft eben frei hinausgehende Wissenschaft von der Freiheit. Dieser Teil, der macht es möglich, daß wirklich freie Geister sich innerhalb der heutigen sozialen Ordnung ausbilden könnten. Denn würde die Freiheit bloß als Wirklichkeit der Freiheit ergriffen ohne die solide Grundlage der Wissenschaft von der Freiheit,  so würde im Zeitalter, in dem sich das Böse so einnistet, wie ich es gestern charakterisiert habe, die Freiheit notwendigerweise nicht führen müssen zu freien Geistern, sondern zu zuchtlosen Geistern. Einzig und allem in der strengen inneren Zucht, welche in dem nicht am Gängelbande der Sinne lebenden Denken gefunden werden kann, in wirklich denkerischer Wissenschaft ist dasjenige zu finden, was für das gegenwärtige Zeitalter, das die Freiheit realisieren muß, eben notwendig ist. 

Buch: 185 Seite: 147 

So möchte ich jetzt, wo nach einem Vierteljahrhundert diese «Philosophie der Freiheit» wieder erscheint, eben betont haben, daß sie erst hervorgegangen ist aus einem intensiven Miterleben mit der Zeit, wirklich aus einem Hineinschauen in die Zeit, aus dem Versuch zu erlauschen, was die Zeit an Impulsen braucht. Und jetzt, nachdem diese Katastrophe über die Menschheit gekommen ist, nach fünfundzwanzig Jahren, sehe ich, daß – man möge mir das zur Albernheit auslegen – dieses Buch ein wahrhaft im wahrsten Sinne des Wortes zeitgemäßes ist, allerdings in jenem absonderlichen Sinne zeitgemäß, daß die Zeitgenossen alles dasjenige nicht haben und oftmals nichts davon wissen wollen, was in diesem Buche steht. 

Würde man verstehen, was mit diesem Buche gewollt war für die Grundlegung des ethischen Individualismus, für die Grundlegung eines sozialen und eines politischen Lebens, würde man richtig verstanden haben, was mit diesem Buche gemeint war, dann würde man wissen: Es gibt Mittel und Wege, die Menschheitsentwickelung heute in fruchtbare Bahnen zu leiten, andere Mittel und Wege, als es der falscheste wäre, den man nur einschlagen könnte: bloß zu schimpfen über die radikalen Parteien, bloß zu schimpfen und Anekdoten zu erzählen über den Bolschewismus. – Es wäre traurig, wenn das Bürgertum nicht darüber hinauskäme, sich nur dafür zu interessieren, was die Bolschewiken da und dort gemacht haben, wie sie sich gegen diese und jene Leute benehmen; denn das trifft nichts in Wirklichkeit. Dasjenige, um was es sich handelt, ist, daß man wirklich studiert, welche in einem gewissen Sinne berechtigte Forderungen sich da von einer Seite erheben. Und kann man eine Weltanschauung und eine Lebensauffassung finden, welche zu sagen wagen darf: Dasjenige, was ihr wollt mit euren unvollkommenen Mitteln, erlangt ihr, wenn ihr den Weg, der hier verzeichnet wird, geht, und noch vieles andere —, wenn man wagen darf, das zu sagen – und ich bin überzeugt davon, daß, wenn man durchdrungen ist von der «Philosophie der Freiheit», man das sagen darf -, dann würde sich ein Licht finden. Dazu ist das Einleben einer wirklichen Weltanschauung der Freiheit aber dringend notwendig. Dazu ist notwendig, daß man den ethischen Individualismus in seiner Wurzel zu erfassen vermag, wie er sich aufbaut auf der Einsicht, daß der Mensch den geistigen Intuitionen des Weltengeschehens gegenübersteht, daß der Mensch, indem er in sich erfaßt nicht den Hegelschen Gedanken, sondern das freie Denken, tatsächlich, wie ich es einmal populär auszudrücken versuchte in meiner kleinen Schrift «Grundlinien einer Erkenntnistheorie der Goetheschen Weltanschauung», mit dem in Zusammenhang steht, was man nennen kann das Durchpulsieren der kosmischen Impulse durch das menschliche Innere. 

Von da aus aber allein ist der Freiheitsimpuls zu fassen, von da aus aber allein ist es möglich, an eine Regeneration derjenigen Impulse heranzutreten, die jetzt alle in Sackgassen enden. Der Tag, der da bringen wird die Einsicht, was es für ein Wortgepränge ist, wenn man diskutiert über solche Begriffe, die nur noch Worthülsen sind, wie Recht, Gewalt und so weiter, der Tag, der die Einsicht bringen wird, daß man es da mit Worthülsen zu tun hat, und der die Einsicht bringen wird, daß die durch geistige Erlebnisse erfaßte Idee der Freiheit allein zur Wirklichkeit führen kann, der Tag allein wird eine neue Morgenröte über die Menschheit heraufbringen können. Dazu muß überwunden werden der Bequemlichkeitssinn, der jetzt tief eingewurzelt ist in den Menschen. Gewöhnen müssen sich die Menschen, nicht herumzureden, wie es heute in der landläufigen Wissenschaft geschieht, über alles mögliche Soziale, über alle möglichen Quacksalbereien zur Verbesserung der sozialen, der politischen Ordnung, gewöhnen müssen sich die Menschen, zu verankern dasjenige, was sie auf diesem Felde suchen, in einer gediegenen, soliden geisteswissenschaftlichen Weltanschauung. Der Freiheitsgedanke muß in einer Wissenschaft der Freiheit verankert sein. 

Daß man der durchbölschten Bourgeoisie nicht leicht das beibringen kann, wohl aber dem Proletariat, das hat sich mir manchmal gezeigt. Unter anderem auch, als ich in Spandau einmal aus den Reihen der dort versammelten Arbeiter, zunächst um ein paar Worte zu sagen, was aber dann eine fünf Viertelstunden lange Rede geworden ist, nachdem Rosa Luxemburg – sie ist ja hinlänglich bekannt – ihre große Rede gehalten hatte, vor einer Arbeiterschaft, die aber nicht nur eine Arbeiterschaft war, sondern die Weib und Kind mitgebracht hatte, Wickel- und kleine Kinder, die geschrien hatten, Hunde und alles mögliche war im Saal — als ich hinterher, nachdem die Rosa Luxemburg ihre Rede über «die Wissenschaft und die Arbeiter» gehalten hatte, gerade daran anknüpfte, daß ein wirkliches Fundament schon daläge: das wäre, Wissenschaft geistig zu erfassen, das heißt, aus dem Geiste heraus nach einer neuen Lebensgestaltung zu suchen, da fand ich mit solchen Dingen immer einige Zustimmung. Aber es riß eben bis heute alles ab an der Indolenz derjenigen, welche Wissenschaft treiben und von denen ja die Arbeiter schließlich auch die Wissenschaft haben, an der Indolenz der Naturforscher, der Ärzte, der Juristen, der Philosophen, der Philologen und so weiter. Wir hatten alle möglichen Leute erlebt; wir haben erlebt den Hertzka mit seinem «Freiland», wir haben Michael Flürscheim erlebt,  wir hatten manchen anderen erlebt, der große soziale Ideen verwirklichen wollte, alle scheiterten an dem, woran gescheitert werden muß: daß diese Ideen nicht aufgebaut sind auf einer geisteswissenschaftlichen Grundlage, auf der Grundlage eines freien wissenschaftlichen Denkens, sondern eines am Gängelbande der äußeren sinnenfälligen Welt sich korrumpierenden Denkens, wie das Denken der modernen positivistischen Wissenschaft ist. Der Tag, der brechen wird mit jener Verleugnung des Geistes, die der modernen positivistischen Wissenschaft eignet, der Tag, an dem man erkennen wird, daß gebaut werden muß auf dem von der Sinnlichkeit emanzipierten Denken und den Untersuchungen der geistigen Welt, an Stelle alles desjenigen, was auf ethischem, sozialem und politischem Gebiete als sogenannte Wissenschaft aufgerufen wird, der Tag wird wirklich die Morgenröte einer neuen Menschheit sein. Der Tag wird die Morgenröte einer neuen Menschheit sein, der solche Worte, wie ich sie höchst unvollkommen heute zu prägen versuchte, nicht mehr finden wird als die Worte eines Predigers in der Wüste, sondern als die Worte, die den Weg finden zu den Herzen, zu den Seelen der Zeitgenossen. Alles mögliche, sogar Woodrow Wilson hören sich die Leute an, und noch viel mehr tun sie, als ihn anhören; aber dasjenige, was herausgeholt ist aus dem Geiste der Entwickelung der Menschheit, das findet schwer Zugang zu den Herzen und zu den Seelen der Menschen. Das aber muß den Zugang finden! Ergreifen muß es die Herzen und die Seelen der Menschen, was durch die Welt gehen würde, wenn Freiheit verstanden würde, Freiheit verstanden aber nicht aus zuchtlosem Geiste, sondern aus freiem, aus solidest denkendem Geiste. Wenn verstanden würde, was Freiheit und ihre Ordnung in der Welt bedeuten würde, dann würde in das Dunkel Licht hineinkommen, das heute vielfach angestrebt wird. 

Das wollte ich auch einmal gerade im Anschluß an historische Ideen zu Ihnen sprechen. Die Zeit ist um. Ich hätte noch vieles andere auf dem Herzen, darüber kann ein andermal gesprochen werden. Wenn ich es ein wenig durchsetzt habe mit allerlei symptomatischen persönlichen Dingen aus der Zeit, die ich in dieser Inkarnation selbst durchlebt habe, so nehmen Sie mir das nicht übel, denn ich wollte Ihnen dadurch zeigen, daß es stets mein Bestreben war, die Dinge, die auch persönlich an mich herantreten, nicht persönlich zu nehmen, sondern selbst als Symptome, die dasjenige offenbaren, was die Zeit und der Zeitgeist von uns wollen.  

 

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Zuchtlose Geister wurde am 29.04.2021 unter Zum Zeitgeschehen veröffentlicht.

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