Zum abstrakten, schablonenhaften und schattenhaften Denken der heutigen Zeit
von Ingo Hagel
Viele Menschen haben durch ihr schablonenhaftes und schattenhaftes Denken, mit dem sie glauben, die „Wirklichkeit“ zu behandeln, den Boden unter den Füßen verloren. Das führt natürlich dazu, dass sie dieses Leben –
dieses ihr eigenes Leben sowie das Leben ihrer Gesellschaften –
nicht mehr bewältigen. Geht man heute durch die Straßen einer Stadt, dann kann man erstaunt sein, dass die Menschen heute in dieser „glücklichen Zeit“ des materiellen Überflusses und der „sozialen Sicherung“ so unglücklich, ratlos und orientierungslos aussehen. Das liegt daran, dass sie sich selber im Materialismus der Zeit verloren haben.
Das, von dem die Menschen heute glauben, dass es Wirklichkeit ist, das heißt die Sinnesobjekte,
ist nämlich keine Wirklichkeit, sondern ist nur deren einseitiger Schatten. Ich habe darüber an verschiedenen Stellen hier auf Umkreis-Online in der Rubrik zur „Philosophie der Freiheit“ Rudolf Steiners geschrieben. Wer in dieser Welt der Sinnes-Schatten leben muss, ohne selber ein aufklärendes Licht auf diese werfen zu können, wird schließlich selber immer mehr zum Schatten. Das erzeugt das Unglück der Menschen.
Hier nochmal ein kurzer Verweis zum neuntem Kapitel dieser „Philosophie der Freiheit“, das diese in den vorigen – und nachfolgenden – Kapiteln behandelte Angelegenheit zusammenfasst:
Im Betrachten des Denkens selbst fallen in eines zusammen, was sonst immer getrennt auftreten muß: Begriff und Wahrnehmung. Wer dies nicht durchschaut, der wird in an Wahrnehmungen erarbeiteten Begriffen, nur schattenhafte Nachbildungen dieser Wahrnehmungen sehen können, und die Wahrnehmungen werden ihm die wahre Wirklichkeit vergegenwärtigen. …
Und die Art der gesellschaftlichen und sozialen Verhältnisse, in denen die sogenannte „überwältigende Mehrheit“ der Menschen steckt,
sind nur ein Spiegel dieses schattenhaften Denkens, das keinen fruchtbaren Bezug mehr zu einem Leben in der Wirklichkeit hat –
beziehungsweise nur einen völlig unangemessenen, weil den Erfordernissen und Nöten derzeit nicht mehr entsprechenden und daher nur noch einen dekadenten Bezug aufweist –
und das daher auch kein Licht mehr in das Dunkel dieser Verhältnisse bringen kann. Rudolf Steiner führte dazu aus:
Man muss sich das nur ganz klarmachen, dass heute viele Menschen eben immer mehr und mehr mit dem Leben nicht fertigwerden. Die einen gestehen sich das – es sind vielleicht noch die besten –, die andern gestehen sich das nicht, aber durch ihr Handeln entsteht das allgemeine Weltenchaos, in das wir hineingeraten sind.
Aber alles, was heute als Weltenchaos, als Weltenunordnung da ist, das ist die tatsächliche Folge dieses inneren Zwiespaltes, dieses Nicht- wissens, inwiefern die moralische Weltenordnung eine Realität hat. Es möchten sich die Menschen stumpf machen gegenüber den großen Weltfragen, da sie sich nicht aufraffen wollen, sich zu gestehen, wo der Zwiespalt eigentlich liegt. Sie möchten ihn am liebsten vergessen. Nun, mit dem, was man heute unsere äußere Zivilisation nennt, lässt sich der Zwiespalt nicht lösen. Er lässt sich allein lösen auf demjenigen Boden einer geistigen Weltanschauung, der durch die Anthroposophie gesucht wird.
Die Gedankenlosigkeit, die Leichtgläubigkeit, Gefügigkeit, der Obrigkeitsgehorsam und die Untertänigkeit
der Menschen gegenüber so vieler Misslichkeiten sind enorm. Die sogenannte „Corona-Krise“ stellt diesbezüglich nur die vorläufig letzte Spitze des Eisbergs dar –
von so vielen Spitzen sehr, sehr vieler anderer Eisberge. –
Sie ist nur eines der vielen Beispiele dafür, wie gleichgültig, schläfrig und interesselos die Menschen heute überhaupt Gedanken gegenüber –
die ja noch dazu gar keine wirklichen Gedanken sind, sondern nur Informationen und Meldungen zu irgendwelchen Ereignissen oder Nicht-Ereignissen in dieser Welt – also nur „Meldungen“ sind, und Nicht-Gedanken –
geworden sind. Das trifft gar nicht einmal in erster Linie für das zu, was man an reinen, sinnlichkeitsfreien Gedanken hegen und entwickeln kann –
die der sogenannte „Lebenspraktiker“ gerne abschätzig als „nur philosophische Gedanken“ zu bezeichnen pflegt, von denen er annimmt, dass sie nichts mit der Lebensrealität zu tun haben, und die von ihm gewöhnlich wie die Brötchenkrümel seiner Leberkäsesemmel mit einer Handbewegung vom Tisch des Denkbaren gefegt werden –
sondern tatsächlich auch und gerade für die an die Dinge der Sinneswelt angelehnten Gedanken, mit denen dieser „Praktiker“ sein Leben und das seiner Gesellschaft gestalten will.
Weil sie mit ihrem Denken in der Luft hängen, können die Menschen in Gedanken,
das heißt weder in an die Sinneswelt angelehnten Gedanken –
was ja noch die leichteste Übung ist –
noch in dem reinen Denken selbst –
also einem Denken ohne Sinneswelt, das heißt einem reinen Denken, das seine Gedanken nicht mehr aus der Sinneswelt entnimmt – das heißt zum Beispiel dem Denken und den Gedanken von Rudolf Steiners „Philosophie der Freiheit“ –
eine Realität sehen, das heißt, sie können weder dem einen Gedanken –
das die Sinneswelt spiegelt –
noch dem anderen Denken –
das seinen Erlebnisinhalt aus sich selber schöpft –
einen Erlebnisgehalt abgewinnen, weil es eben so ist, wie es im neunten Kapitel der „Philosophie der Freiheit“ beschrieben ist, dass ein nur an der Sinneswelt sich entlanghangelndes Denken eben völlig schattenhaft ist. – Noch dazu steht ein Denken, dass heute nicht mehr in der ordentlichen Weise angespannt und angestrengt wird, in der Gefahr, völlig in den Verfall zu geraten.
Die Menschen glauben, mit ihrem Denken in dem Moment völlig in der Luft zu hängen,
in dem dieses sich nicht mehr an sinnliche Dinge anlehnen kann, indem es diese abbildet. Heute ist es allerdings schon so weit gekommen, dass das Denken der Menschen so derart in den Ruin getrieben ist, dass selbst diese Wahrnehmungen der Sinneswelt und deren doch sehr handfeste gedankliche Repräsentationen und Entsprechungen, das heißt Vorstellungen, für die Menschen nicht mehr eine „wahre Wirklichkeit vergegenwärtigen„, weil selbst diese nur die Sinneswelt abbildenden „Gedanken“ für die Menschen bedeutungslos und uninteressant geworden sind – so zusammenhanglos sind sie geworden durch den fehlenden Gedankenzusammenhang.
Selbst diese Gedanken, die ja in keiner Weise „philosophisch“ sind, sondern die nur die Dinge der Sinneswelt abbilden, sind für die Menschen so schattenhaft, nebulös und unreal geworden, dass sie politisch, gesellschaftlich, ja selbst wissenschaftlich alles mit sich machen lassen. Jeder Betrug, jeder Irrtum wird hingenommen, jede Lüge wird willig aufgenommen, weil die Leute überhaupt nicht mehr in der Lage sind, ihr Denken zu benutzen –
also weder ein Denken an der Sinneswelt entlang, noch ein reines Denken ohne diese Sinneswelt, also zum Beispiel das Denken der „Philosophie der Freiheit“ Rudolf Steiners. –
sonst sähe eben die soziale, kulturelle, geistige, wirtschaftliche, rechtlich-politische Realität hier in Deutschland anders aus.
Die Menschen fühlen sich durch das Denken zwanghaft eingesperrt,
es bedeutet ihnen nichts, sie empfinden es als abstrakt, tot und leer – woran ja durchaus etwas ist, wenn man nur dieses tote, schablonenhafte Denken hat, was einem Erziehung, Schule und Ausbildung in der heutigen Zeit anbieten, und womit diese einen ins Leben entlassen.
Na klar, so haben wir es ja alle in Schule und Ausbildung stramm naturwissenschaftlich gelernt, und dafür unseren Bachelor, Master Blaster, Dr. oder Ähnliches bekommen. Diese Denkweise ist als erste –
aber einseitige –
Näherungsgrundlage für eine – materialistische – Weltanschauung natürlich nicht schlecht oder völlig falsch. Nur wenn man glaubt, das sei nun die einzige und höchste der Erscheinungs- und Erklärungsformen der Welt, und wenn man sich auch noch viel auf diese Sichtweise einbildet, dann wird es eben problematisch. Denn diese Weltanschauung wird dann eben nicht nur im Berufsleben die Grundlage für die soziale Realität einer Gesellschaft, sondern sie wird dann auch die Grundlage einer Biografie – nämlich der eigenen. Mit allen angesprochenen Folgen.
Dann kann es schließlich dazu kommen, weil man das Denken gar nicht mehr achten kann,
gar nichts mehr mit ihm anfangen kann, als sich den Annehmlichkeiten des sogenannten „modernen“ (Konsum-) Lebens hinzugeben. Also nach so vielen „schönen und angenehmen“ Jahren im Wirtschaftswunder-Deutschland dann auch noch gut und gerne leben in Bad Deutschburg –
wie es Frau Merkels selbstgewähltes Motto im letzten Bundestagswahlkampf war. –
Nach nun doch Jahrzehnten des schalen „Genusses“ kann dann aber auch immer klarer werden, dass dieser doch nicht recht befriedigend ist, dass diesem Irgendetwas fehlt, was man doch eigentlich im Leben dringend braucht, so dass man dann vielleicht nach irgendetwas „Spirituellem“ oder „Esoterischem“ Ausschau hält. Viele Menschen folgen dann den Anweisungen auf so vielen sogenannten Meditations- und Lifestyle-Homepages, die ihnen suggerieren, dass der Kopf, nämlich das Denken, zu überhaupt nichts gut ist, und dass man das alles doch aufgeben soll. Man solle einfach nur fühlen, oder wollen, also machen. In beiden Fällen also: Kopf ab. Das ist also heute der „dreigliedrige Mensch“, wie er zwar nicht sein sollte, aber wie er in seinem Verhältnis zur Gedankenwelt steht.
Wie soll, wenn es mit diesem „dreigliedrigen“ Menschen so steht,
dann überhaupt irgend ein Verständnis für die Soziale Dreigliederung in den Menschen entstehen? – Das wird es eben auch nicht. Nicht umsonst schrieb eben Rudolf Steiner in seinen „Kernpunkten zur sozialen Frage“ –
mit Blick auf die Ideen der Sozialen Dreigliederung, mehr dazu in dieser Suchhilfe hier auf Umkreis-Online –
dass die Menschen, die heute wie damals den Verhältnissen mit einem diesen nicht angemessenen Denken gegenüberstehen, sich eben eingestehen müssten, dass „man lebensfremd denkt„. Und ohne dieses Eingeständnis wäre auch keine Besserung in der sozialen Frage zu erwarten:
Kann man denn hoffen, die verworrenen Zustände des öffentlichen Lebens zu bewältigen, wenn man an sie mit einem lebensfremden Denken herantritt? Diese Frage kann nicht gerade beliebt sein. Denn sie veranlasst das Geständnis, dass man lebensfremd denkt. Und doch wird man ohne dieses Geständnis der «sozialen Frage» auch fern bleiben.
Man kann aus Obigem ahnen, was den Menschen noch alles bevorsteht, damit sie den Impuls fassen, aus ihrem „lebensfremden Denken“ herauszukommen.
Viele Leute haben Angst vor dem Denken, weil sie es eben für intellektuell halten, abstrakt und so weiter.
Aber die Entwicklung des Ich sowie die Erarbeitung von irgendetwas „Spirituellem“ oder „Esoterischem“ geht eben nur über das Denken. Und das Denken ist nun mal –
sobald es sich aus der Abbildung der Objekte der Sinneswelt beginnt herauszulösen –
zuallererst einmal „abstrakt“, und „nur“ abstrakt, wie gesagt wird.
Wer einmal eine wunderbare Beschreibung dessen lesen will, was eigentlich abstraktes Denken ist, und wie man diesem gegenüber empfinden kann –
und zwar durchaus berechtigt, was aber durchaus in Betracht gezogen werden muss, und an dem man nicht vorbeikommt, wenn man an das herankommen will, was der Welt eigentlich als warme und lebensvoll wirkende übersinnliche Geistigkeit zugrundeliegt –
dem sei – nur zum Beispiel – diese Passage in einem Vortrag Rudolf Steiners zur Lektüre empfohlen.
Aber es gibt in dieser immer verdrehter und abgehobener werdenden Welt kein gesundes Denken,
außer man hat im Leben das Glück, diesem in der Anthroposophie Rudolf Steiners begegnen zu dürfen. Diese Anthroposophie wird natürlich von den Leuten für völlig „abstrakt“ gehalten – und noch dazu für „okkult“. Diese Leute haben natürlich überhaupt keine Ahnung, was in diesem ganz normalen Leben alles okkult ist, sobald man diesem Leben und seinen Erscheinungen mit einem wirklichen Denken gegenüber tritt. Nicht umsonst sprach Goethe eben von dem „offenbaren Geheimnis„, was aber nur so lange Geheimnis bleibt, solange man nicht mit einem entwickelten und gesunden Denken an die Phänomene dieser Welt herangeht.
Man wird also zuerst immer den Weg über das Gegebene machen müssen, und dieses ist das in den Objekten gegebene abstrakte Denken, das die Menschen aber für völlig subjektiv halten, das heißt nicht zu den Objekten gehörig. –
Es ist aber zu den Objekten zugehörig und beginnt, deren inneren geistigen Gehalt zu offenbaren. –
Die Menschen halten ein solches Denken aber für völlig bedeutungslos, also für etwas, das nichts über die Welt aussagt, sondern das nur subjektiv von den Menschen zu den „wirklich realen“ Dingen der Sinneswelt hinzugefügt worden ist.
Dieses abstrakte Denken, an dem die meisten Menschen nichts erleben,
und das sie daher nicht schätzen, muss eben verwandelt werden in ein Denken, an dem man etwas erlebt. Und darin besteht die – man kann es ruhig sagen – jahrzehntelange Arbeit. Das ist natürlich vielen Leuten eine Zumutung. Aber so ist es eben. Dass ein solches Denken seit den frühsten philosophischen Arbeiten Rudolf Steiners nur völlig unzureichend in die gegenwärtige sogenannte „moderne“ Kultur Aufnahme gefunden hat, ist nicht nur ein Grund für deren immer weiter sich vollziehenden Niedergang, sondern auch der Grund dafür, dass in diesem Niedergang keine neuen, fruchtbaren und heilsamen Horizonte und geistigen Perspektiven gefunden werden können. Ansonsten droht eben tatsächlich der Untergang des Abendlandes, worauf Rudolf Steiner immer wieder in der damaligen Zeit hingewiesen hat. Und daran hat sich bis heute nichts geändert – wie alle Erscheinungen diese Zeit zeigen und belegen.
Aber – wie oben gesagt – gegen diesen vollständigen Untergang des Abendlandes –
es wird schon noch genug untergehen –
schreibe ich hier auf Umkreis-Online mit Artikeln zum Zeitgeschehen, zur „Philosophie der Freiheit“ und zur Sozialen Dreigliederung an. –
Ich schreibe Letzteres nicht, um damit anzugeben, sondern um neue Leser, die auf Umkreis-Online und diesen Artikel gestoßen sein und vielleicht etwas „huddelig“ gelesen haben sollten, zum Schluss nicht einfach „im Regen stehenzulassen“. –
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Falls Ihnen dieser Artikel jedoch unverständlich, unangebracht, spinnig oder sogar „esoterisch“ vorkommt, gibt es vorerst wohl nur eines:
Zum abstrakten, schablonenhaften und schattenhaften Denken der heutigen Zeit wurde am
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