Sternenstaub 

 

von Stella Hagel

 

Marc wird bald schon sechs Jahre alt, und er verliert ein wenig von der farbigen Phantasiekraft, welche ihm vorher zueigen war. Manchmal kommt nun von ihm ein leicht ironischer Kommentar zu dem Bild in einer Geschichte: „Ach, das gibt’s doch garnicht.“ Unser Bild für den Abschluss der Eurythmiestunde ist ein Stern, der über die Himmelsleiter zu uns herabsteigt und zuletzt in unseren Herzen ruht. Wir machen dabei mehrere kleine eurythmische „E“ mit den Fingern, die dabei gekreuzt werden und zum Schluss in einem großen „E“ mit ehrfurchtsvoll gekreuzten Armen über der Brust enden. Zum Verabschieden schenke ich den Kindern meinen Stern, indem ich eine hingebende Gebärde mache. Die Kinder lieben das Bild und gestalten es gerne nach. 

Lara, fünf Jahre alt, meint eines Tages: „Sternenstaub, ich habe Sternenstaub gesehen!“ Dieses Bild greife ich auf, indem ich meine Hand in sanften Bögen hin und her bewege. „Oh,“ staunt Lara nun, „jetzt habe ich’s ganz kurz wirklich glitzern gesehen.“ Die anderen Kinder bestätigen dies: „Ja, ich auch! Ganz kurz hab ich’s auch glitzern gesehen.“ Belustigt und ungläubig meint Marc dazu: „Ach. Sternenstaub gibt’s doch hier garnicht, das gibt’s doch nur oben am Himmel.“ Die anderen Kinder lassen sich von dieser Bemerkung nicht stören, ja, sie ignorieren sie und bleiben dabei, dass sie es manchmal glitzern sehen. So verabschieden wir uns einige Wochen, bis eines Tages Marc selber mit seiner Hand und seinen Fingern den glitzernden Sternenstaub fliegen lässt. Erstunt verfolgt er dabei mit seinen Augen die wirklich bezaubernden Bewegungen seiner Hand. Dann murmelt er leise und verwundert vor sich hin: „Komisch – ich seh’s auch glitzern – obwohl es das doch nicht gibt – komisch ….“ 

 

 


Sternenstaub  wurde am 12.06.2022 unter Ich bin ewig! veröffentlicht.

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