von Ingo Hagel
Rudolf Steiners „Philosophie der Freiheit“ und sein Buch „Theosophie“ sollen ja, so sagt deren Autor in der „Theosophie“ (GA 9 S. 3), zum selben Ziel führen:
… Wer noch auf einem anderen Wege die hier dargestellten Wahrheiten suchen will, der findet einen solchen in meiner «Philosophie der Freiheit». In verschiedener Art streben diese beiden Bücher nach dem gleichen Ziele. Zum Verständnis des einen ist das andere durchaus nicht notwendig, wenn auch für manchen gewiß förderlich.
Auf eines dieser Ziele der „Theosophie“ weist Rudolf Steiner hier hin. Es geht um das Beobachten des Denkens und um das Realisieren der Tatsache, dass Gedanken in ihrer geistigen Wirklichkeit Bildekräfte sind:
Die Gedanken werden lebendige Kräfte, Bildekräfte, wie ich sie auch in meinem Buche «Theosophie» genannt habe.
Siehe dazu auch hier auf Umkreis-Online.
Dieses Ziel – also die Beobachtung des Denkens als realer Bildekräfte – wird dadurch erreicht, dass der Mensch alle Gedankeninhalte von außen lernt auszuschließen – das heißt durch Meditation und Konzentration:
Man hat ja gar nicht das Bewusstsein des Denkens, wenn man sich für die Vorstellungen nur von außen anregen lässt. Nur wenn man immer wieder und wiederum sich von innen zum Denken anregt durch Meditation, durch Konzentration auf Gedankeninhalte, dann wird man sich gewahr innerhalb des Denkens. Dann geht einem auf, dass man eigentlich in diesem Denken lebt, aber dass man es nur nicht weiß, wenn man sich allein von außen anregen lässt. Das Denken wird auf diese Weise lebendig, während es sonst abstrakt und tot ist. Das Denken wird etwas, was nicht bloß in den Denkschatten besteht, die wir von außen bekommen, sondern etwas, was sich wie ein Seelenblut innerlich regt. Man wird wie ausgefüllt mit einer zweiten Menschlichkeit. Die Gedanken werden lebendige Kräfte, Bildekräfte, wie ich sie auch in meinem Buche «Theosophie» genannt habe.
Diese Wahrnehmung der Bildekräfte ist nur zu erreichen
über die Entwicklung eines reinen, sinnlichkeitsfreien Denkens, von dem Rudolf Steiner hier ausführt, dass er auf dieses Denken schon in seiner „Philosophie der Freiheit“ hingewiesen hatte:
Ich habe in meiner «Philosophie der Freiheit» auf dieses reine Denken, das nicht etwas Äußerliches denkt, sondern das ganz im Innern des Menschen verläuft, hingewiesen. Aber ich bin mir auch bewusst, dass ich mit diesem reinen Denken eigentlich etwas geschildert habe, von dem viele unserer Zeitgenossen sagen, das gibt es ja gar nicht; so wie derjenige, der das Getöse von Maschinen da draußen hören würde und das Piano nicht, sagen würde, das gibt es ja gar nicht.
Man muss dann allerdings im geistigen Auge und Blickfeld haben,
dass das Denken, auch und besonders mit Blick auf die „Philosophie der Freiheit“, etwas ganz anderes werden muss, als es in diesem Wahrnehmungstraum des gewöhnlichen Bewusstseins ist:
So können wir sagen, dass der Mensch wollend, auch wenn er wacht, im tiefen traumlosen Schlaf ist, dass er fühlend träumend ist, auch wenn er wacht, und dass er nur in einer gewissen Weise wach ist, wenn er in Vorstellungen lebt. Aber wenn der Mensch wirklich ehrlich nach seinem Innern hinschaut, so merkt er: diese Vorstellungen sind auch nur wach in Bezug auf die äußere Natur, nicht in Bezug auf ihr eigenes Leben. In Bezug auf das eigene Leben der Vorstellung kann der Mensch nicht zu einem rechten Wachen kommen. Man muss sich nur klar sein darüber, wie ja für die meisten Menschen, wenn sie nichts Äußerliches vorstellen können, eine vorstellende Tätigkeit überhaupt nicht mehr vorhanden ist. Aber das ist ja eigentlich nur deshalb, weil insbesondere in der heutigen Kultur der Mensch an die Außenwelt hingegeben ist, so dass wir dieses Hingegebensein vergleichen können mit dem Dasein in einer tosenden, brausenden Welt.
…
Aber wenn das so ist, können wir etwas außerordentlich Wichtiges daraus ersehen, nämlich dieses, dass wir eigentlich nur für das Denken, insofern es einen äußeren Naturinhalt hat, wachen, dass wir aber in Bezug auf die innere Tätigkeit, die wir da vollbringen, schon höchstens träumen. Außerdem träumen wir die Gefühle und verschlafen den Willen. Also die Seelentätigkeit, dasjenige, was uns im Innern lebt, das ist im Grunde genommen nicht erwacht, wenn wir für die Sinneswelt wachen. Wir schlafen fort, auch während des Tagwachens, für unsere Denktätigkeit, für das Fühlen, für das Wollen. Wir wachen nur für die äußere Natur auf. …
Der Studierende der „Philosophie der Freiheit“ wird sich wohl erinnern
an diese Beschreibung Rudolf Steiners in diesem Buch zu diesem Wahrnehmungstraum des gewöhnlichen Bewusstseins (GA 4 S. 82):
Einem kritischen Idealisten dieser Art erscheint die ganze Welt als ein Traum, dem gegenüber jeder Erkenntnisdrang einfach sinnlos wäre. Für ihn kann es nur zwei Gattungen von Menschen geben: Befangene, die ihre eigenen Traumgespinste für wirkliche Dinge halten, und Weise, die die Nichtigkeit dieser Traumwelt durchschauen, und die nach und nach alle Lust verlieren müssen, sich weiter darum zu bekümmern. Für diesen Standpunkt kann auch die eigene Persönlichkeit zum bloßen Traumbilde werden. Gerade so wie unter den Bildern des Schlaftraums unser eigenes Traumbild erscheint, so tritt im wachen Bewußtsein die Vorstellung des eigenen Ich zu der Vorstellung der Außenwelt hin-zu. Wir haben im Bewußtsein dann nicht unser wirkliches Ich, sondern nur unsere Ichvorstellung gegeben. Wer nun leugnet, daß es Dinge gibt, oder wenigstens, daß wir von ihnen etwas wissen können: der muß auch das Dasein beziehungsweise die Erkenntnis der eigenen Persönlichkeit leugnen. Der kritische Idealist kommt dann zu der Behauptung: «Alle Realität verwandelt sich in einen wunderbaren Traum, ohne ein Leben, von welchem geträumt wird, undohne einen Geist, dem da träumt; in einen Traum, der in einem Traume von sich selbst zusammenhängt» (vergleiche Fichte, Die Bestimmung des Menschen).
Und dann gibt es in der „Philosophie der Freiheit“ die Beschreibung,
den Hinweis darauf, wie man aus diesem Traum des gedankenlosen Wahrnehmens beziehungsweise eines Denkens – des kritischen Idealisten –
das eben nur Bild und keine Realität ist, denn Gedanken als Realität sind ja nur die Bildekräfte –
aufwachen kann (GA 4 S. 85):
Schlimmer steht die Sache allerdings, wenn der Illusionismus das Ich an sich hinter den Vorstellungen ganz leugnet, oder es wenigstens für unerkennbar hält. Zu einer solchen Ansicht kann sehr leicht die Beobachtung führen, daß es dem Träumen gegenüber zwar den Zustand des Wachens gibt, in dem wir Gelegenheit haben, die Träume zu durchschauen und auf reale Verhältnisse zu beziehen, daß wir aber keinen zu dem wachen Bewußtseinsleben in einem ähnlichen Verhältnisse stehenden Zustand haben. Wer zu dieser Ansicht sich bekennt, dem geht die Einsicht ab, daß es etwas gibt, das sich in der Tat zum bloßen Wahrnehmen verhält wie das Erfahren im wachen Zustande zum Träumen. Dieses Etwas ist das Denken.
Allerdings muss das Denken, auch das Denken der „Philosophie der Freiheit“, etwas völlig anderes werden,
als man sich das im gewöhnlichen Leben und im gewöhnlichen Bewusstsein bis dahin wohl ausgemalt hat:
Denken Sie sich einmal, hier spiele jemand Piano oder irgendein Instrument, und da draußen tosten die Maschinen in einer ganz außerordentlichen Weise. Sie würden die Maschinen hören. Das Piano würden Sie wenig wahrnehmen können, besonders wenn Sie etwas weiter weg davon waren. So ist es im Grunde genommen auch gegenüber dem, was eigentlich im Innern des Menschen von der Denktätigkeit lebt. Nur müssen wir da den Vergleich richtig gebrauchen. Wenn wir heute die äußere Naturwissenschaft lernen, wenn wir da alle die Begriffe aufnehmen, die in der äußeren Evolutionslehre dem Menschen gebracht werden, dann ist das im Grunde genommen ein Denkgetöse, ein Denklärm. Und dieser Denklärm, dem sich der heutige Mensch, insbesondere auch wenn er Wissenschafter ist, hingibt, stört ihm die feinere Wahrnehmung der inneren Denktätigkeit. Daher verschläft er auch die innere Denktätigkeit. Ich habe in meiner «Philosophie der Freiheit» auf dieses reine Denken, das nicht etwas Äußerliches denkt, sondern das ganz im Innern des Menschen verläuft, hingewiesen.
Unter den dargestellten Wahrheiten in der „Theosophie“ sind also – unter anderem – die Bildekräfte.
Diese Wahrheit kann man nicht nur in der „Theosophie“, sondern eben auch in der und durch die „Philosophie der Freiheit“ ganz real, nicht theoretisch suchen. –
Diese Wahrheit kann ja in der „Philosophie der Freiheit“ nur real, also durch eigene geistige Wahrnehmung, zu suchen sein, denn theoretisch ist von den Bildekräften in diesem Buch nicht die Rede. Aber dass man real zu diesen Bildekräften durch die in der „Philosophie der Freiheit“ beschriebene Denktechnik kommt, darauf weist Rudolf Steiner eben in diesem Vortrag hin. –
Die „Philosophie der Freiheit“ ist also ein okkultes Buch, ein übersinnliches Schulungsbuch, das einen zur Wahrnehmung der realen übersinnlichen Welt führen kann –
beziehungsweise in dem eingangs angeführten Fall ersteinmal zur Wahrnehmung der Bildekräfte.
Durch die „Philosophie der Freiheit“ kommt man also doch in die reale geistige Welt. Aber dazu muss eben dieser Traum des gewöhnlichen Bewusstseins, der nicht denkend in der Wahrnehmung verhaftet ist, überwunden werden.
Somit bestätigt sich mal wieder, was Rudolf Steiner zu Walter Johannes Stein sagte,
dass man eben durch die „Philosophie der Freiheit“ die gesamte Anthroposophie finden kann. Walter Johannes Stein fragte damals Rudolf Steiner (siehe „Der Europäer“ S. 9):
„Was wird nach Jahrtausenden von Ihrem Werk noch übrig bleiben?“ Er antwortete: „Nichts als die “Philosophie der Freiheit. Aber in ihr ist alles Andere enthalten. Wenn jemand den dort geschilderten Freiheitsakt realisiert, findet er den ganzen Inhalt der Anthroposophie.“
Grundlage dieses Freiheitsaktes und Grundlage für jede übersinnliche Wahrnehmung ist allerdings das reine Denken, das –
worauf immer mal wieder hier auf Umkreis-Online hingewiesen wurde –
in seiner Realität eben in die Meditation ausläuft.
Selbstverständlich kann man –
und muss man auch, weil man erst einmal gar kein anderes Bewusstsein hat –
die „Philosophie der Freiheit“ auch im gewöhnlichen Bewusstsein lesen und sich langsam, und sein Denken verwandelnd, zu diesem fernen Ziel hinarbeiten. Aber selbst das muss man nicht, die „Philosophie der Freiheit“ bildet auch so, im gewöhnlichen Bewusstsein gelesen, ungeheuer Wertvolles und Bereicherndes für den Menschen.
Aber wenn man dann durch die „Philosophie der Freiheit“ eine Empfindung für diesen gedankenlosen Wahrnehmungstraum bekommen hat, in dem sich der Mensch in seinem so genannten modern Bewusstsein befindet –
denn das, was der Mensch in seinem Leben gewöhnlich Denken nennt, ist ja kein Denken, sondern ein sich Entlanghangeln an Vorstellungen der Sinneswelt beziehungsweise nur totes und abstraktes Bild einer geistigen Realität des Denkens –
dann kann auch der Wunsch entstehen, aus diesem Traum zur Realität des Denkens zu kommen.
Hat Ihnen dieser Artikel etwas gegeben? Dann geben Sie doch etwas zurück! – Unterstützen Sie das Freie Geistesleben, also zum Beispiel meine Arbeit im Umkreis-Institut durch eine
Sollte Ihnen aber Ihre Suchmaschine diesen Artikel nur zufällig auf den Monitor geworfen haben, Sie das Alles sowieso nur für (elektronisches) Papier beziehungsweise nur für Worte – also für Pille-Palle – halten, dann gibt es
einen angenehmen und lustigen Ausgang für Sie.
Falls Ihnen dieser Artikel jedoch unverständlich, unangebracht, spinnig oder – noch schlimmer – „esoterisch“ vorkommen sollte, gibt es vorerst wohl nur eine Lösung, nämlich die Seite des Umkreis-Institutes weiträumig zu umfahren. Also: