Das reine Denken ist die Meditation

 

von Ingo Hagel

 

Das reine Denken ist die Meditation. Die Meditation führt in das Leben der übersinnlichen Welt hinein.  

Sagt Rudolf Steiner hier. – Er hätte vielleicht auch sagen können: 

Die Meditation verläuft im reinen Denken. 

So wie er das gesagt hat im Nachtrag von „Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten?“ – Und er hätte dann vielleicht auch noch sagen können:

Ja, die Meditation verläuft zwar im reinen Denken, die „Philosophie der Freiheit“ verläuft zwar auch im reinen Denken, aber das mit der Meditation ist dann doch nochmal etwas ganz Anderes und Eigenes. 

Aber nun gut, Rudolf Steiner, der immer sehr genau war in der Wahl seiner Worte, sagte das nicht. Er sagte: 

Das reine Denken ist die Meditation. 

Er sagte das, weil es natürlich vollkommen richtig und zutreffend ist. Aber er sagte das vielleicht auch, weil er wollte, dass wir, um das immer besser zu verstehen, so ziemlich alle unsere Kräfte zusammennehmen müssen, um diese Angelegenheit für uns und unser begrenztes Auffassungs- und Durchblicksvermögen in diesen Dingen zurechtzurücken. Wir sollen wachsen daran.

 

Da die „Philosophie der Freiheit“ im reinen Denken verläuft, 

muss man doch sagen: 

Also ist doch die „Philosophie der Freiheit“ die – oder eine – Meditation! Also kommt man durch diese „Philosophie der Freiheit“ in die reale, übersinnliche Welt? –

Oder jedenfalls: – 

da Meditationen in Tiefe, Schweregrad und Schicht des zu erreichenden Bewusstseinszustandes sehr unterschiedlich sein können – 

die „Philosophie der Freiheit“ könnte der Anfang dessen sein, was sich dann später aus in diesem praktizierten reinen Denken entwickeln kann. 

 

Und genau das sagte Rudolf Steiner ja auch:

Das reine Denken ist die Meditation. Die Meditation führt in das Leben der übersinnlichen Welt hinein.  

Die Meditation im reinen Denken führt hinein – man ist aber noch nicht in dem 

Leben der übersinnlichen Welt 

drinnen. Und so, wie die Meditation in das 

Leben der übersinnlichen Welt 

hineinführt, könnte die „Philosophie der Freiheit“ eben auch ganz grundsätzlich in das Leben der Meditation hineinführen – 

und damit selbstverständlich ebenfalls in das Leben der übersinnlichen Welt –

auch wenn man dieses Leben der „Philosophie der Freiheit“ im reinen Denken gar nicht in eine Meditation auslaufen lassen will, sondern diese „Philosophie der Freiheit“ einfach erst einmal nur im gewöhnlichen Bewusstsein denkt. Das ist bereits schon ein gewaltiger Fortschritt und Gewinn.    

    

Tatsächlich zählt Rudolf Steiner das reine Denken seiner „früheren Schriften“,

wozu natürlich auch die „Philosophie der Freiheit“ gehört, 

durchaus zu den Verrichtungen des «schauenden Bewusstseins».

Aber dieses „schauende Bewusstsein“ ist „noch schattenhaft„:

Meine früheren Schriften behandeln das reine Denken so, dass ersichtlich ist, ich zähle dieses durchaus zu den Verrichtungen des «schauenden Bewusstseins». Ich sehe in diesem reinen Denken die erste, noch schattenhafte Offenbarung der geistigen Erkenntnisstufen.     (GA 35 S. 320) 

Also zuerst einmal offenbart sich diese reale geistige Welt innerhalb der „früheren Schriften 

das heißt auch in der „Philosophie der Freiheit“ – 

nur „schattenhaft“ als eine Ideen- und Gedankenwelt des reinen Denkens. 

 

Und diese „schattenhafte“ Gedankenwelt der „Philosophie der Freiheit“ 

muss auch ersteinmal rein erkenntnistheoretisch, rein gedanklich, rein philosophisch erfasst werden. Und es ist gut, wenn der Mensch die gedanklich-erkenntnistheoretische Substanz dieser „Philosophie der Freiheit“ –

oder von Rudolf Steiners anderen „früheren Schriften“ –

ersteinmal als solche erfassen kann, um sich daran zu stärken und zu kräftigen, bevor er irgendwelche übersinnlichen Welten betritt, die nicht mehr nur

schattenhafte Offenbarung der geistigen Erkenntnisstufen

sind, wie Rudolf Steiners „frühere Schriften„, sondern geistige Realität. – 

Und wie ich immer mal wieder hier auf Umkreis-Online gesagt habe: Nicht jeder Mensch muss ein Okkultist werden, aber es wäre gut, wenn möglichst viele Menschen die Forschungsergebnisse des Okkultismus verstehen wollten – denn das kann man mit dem gewöhnlichen – aber gesunden – Menschenverstand. Darauf hat Rudolf Steiner immer wieder hingewiesen. Die Ergebnisse des Okkultismus müssen in die Welt. Sie können von den Menschen nachgedacht werden. –  

  

Man könnte also darauf kommen, dass man mit Blick auf die Art des Denkens, 

mit der man bis dahin versucht hat die „Philosophie der Freiheit“ nachzudenken, zu entschlüsseln, oder zu realisieren, vielleicht an diesem Wesen des reinen Denkens vorbeigelaufen ist, es nicht richtig verstanden hat. Darauf deuten ja auch die Ausführungen in diesem Nachtrag zu deren achten Kapitel hin:

Aber wer sich dazu bringt, das Leben im Denken wahrhaft zu haben, der gelangt zur Einsicht, daß dem inneren Reichtum und der in sich ruhenden, aber zugleich in sich bewegten Erfahrung innerhalb dieses Lebens das Weben in bloßen Gefühlen oder das Anschauen des Willenselementes nicht einmal verglichen werden kann, geschweige denn, daß diese über jenes gesetzt werden dürften.      

  

Haben wir da nicht vielleicht etwas versäumt? 

Oder ist es nicht vielmehr so, dass der Intellekt, der Verstand von Einem, der sich so schwer lösen kann von seinem im gewöhnlichen Bewusstsein Ausgerichtet-Sein auf die Sinneswelt –

statt „das Leben im Denken wahrhaft zu haben“ und dieses Denken als eine „in sich ruhende aber zugleich in sich bewegte Erfahrung“ zu haben –

wie ein junger Hund an den Vorhängen, die das Wesen der „Philosophie der Freiheit“ und des reinen Denkens und das Wesen des wirklichen Denkens überhaupt verhüllen, hochspringt, sich darin verbeißt ist und – natürlich erfolglos – versucht, diese Vorhänge mit dem gewöhnlichen Bewusstsein – 

mit dem man diese „Philosophie der Freiheit“ natürlich erst einmal liest und auch lesen muss – das geht ja gar nicht anders, weil man erst einmal gar kein anderes Bewusstsein hat –

herunterzureißen?  

  

Man ist also wohl noch sehr weit entfernt von dem, 

worauf die folgenden Sätze in demselben Absatz dieses Nachtrages hindeuten:

Das Wollen, das Fühlen, sie erwarmen die Menschenseele auch noch im Nacherleben ihres Ursprungszustandes. Das Denken läßt nur allzuleicht in diesem Nacherleben kalt; es scheint das Seelenleben auszutrocknen. Doch dies ist eben nur der stark sich geltend machende Schatten seiner lichtdurchwobenen, warm in die Welterscheinungen untertauchenden Wirklichkeit. Dieses Untertauchen geschieht mit einer in der Denkbetätigung selbst dahinfließenden Kraft, welche Kraft der Liebe in geistiger Art ist. 

Da muss also innerlich noch etwas geschehen, bis das, auf das Rudolf Steiner dort hinweist, realisiert wird. Aber damit das realisiert wird, das heißt damit wir daran nicht vorbeilaufen, weist er uns darauf hin. An uns ist es, diese Hinweise zu verstehen und umzusetzen. Das dauert und braucht Zeit.    

   

Und man kann sich fragen, ob man denn bis dahin wirklich das reine Denken 

dieser „Philosophie der Freiheit“ so vollzogen hat –

Ja, ob man es denn überhaupt vollzogen hat als reines Denken?! – Aber nun gut, Alles hat einen Anfang, und die Dinge entwickeln sich. Also nicht aufgeben! Gib niemals auf! – 

dass darauf die oben angeführten Worte einer

lichtdurchwobenen, warm in die Welterscheinungen untertauchenden Wirklichkeit

sowie

einer in der Denkbetätigung selbst dahinfließenden Kraft, welche Kraft der Liebe in geistiger Art ist

zutreffen. Oder war es nicht doch so, dass das eigene Denken, mit dem man versucht hat, der „Philosophie der Freiheit“ nahezukommen, „kalt“ war, indem es

das Seelenleben auszutrocknen

schien, weil es  

eben nur der stark sich geltend machende Schatten seiner lichtdurchwobenen, warm in die Welterscheinungen untertauchenden Wirklichkeit

war? 

 

Wir versuchen, uns in konzentrischen Kreisen immer näher 

an dieses ganze großartige Problem der „Philosophie der Freiheit“, und wie diese mit der realen geistigen Welt, mit der Meditation und so weiter zusammenhängt, heranzutasten. Und dabei versuchen wir das zu entwickeln, was dazu nötig ist, nämlich Wille:    

Nun ist schon eine Meditation, überhaupt ein reines Denken, ein wirklich reines Denken, nicht möglich, ohne den Willen weiterzubilden. Dieses reine Denken als Tatbestand am Menschen ist ja nicht anders möglich als durch eine besonders intensive Anstrengung, eine besonders intensive Betätigung des Willens. Alles dasjenige aber, was man betätigt, übt man, bildet man aus. Und es ist eine ganz besondere Ausbildung des Willens, wenn man zum reinen Denken übergeht oder aus dem reinen Denken heraus in die Meditation übergeht. 

  

Allerdings steht es mit diesem Willen sowohl in der damaligen und sicher noch mehr in der heutigen Menschheit nicht gut: 

Es hat ja den Anschein, daß in der neueren Menschheit der Wille im Grunde schon zu etwas geworden ist, über das man sich eigentlich nur noch Illusionen hingeben kann – wenn man überhaupt noch glauben will, daß er da ist.

Aber gerade deswegen wäre es gerade so notwendig, wenn möglichst viele Menschen erkennen könnten, dass in der „Philosophie der Freiheit“ und der Anthroposophie Rudolf Steiners etwas vorliegt, an der man diesen Willen entwickeln kann, denn:

… derjenige, der sich bemüht, auf geisteswissenschaftliche Erkenntnisse einzugehen, der übt Willensanstrengung, und er übt damit überhaupt seinen Willen. Daher kann man sagen, daß es für die heutige Menschheit ganz gut wäre, wenn sie zunächst wenigstens auf geisteswissenschaftliche Erkenntnisse eingehen würde, denn sie würde dadurch den Willen wirklich ausbilden, sie würde den Willen stärken.

Denn die Menschen ahnen heute kaum, wie sehr ihre verschiedenen Leiden –

auf sozialem, menschlichen, geistigen, seelischen, körperlichen Gebiet –

auf diesem Übergewicht einer völlig überbordenden kalten und willenlosen Nerventätigkeit des Kopfes und auf diesem katastrophalen Mangel an einem wirklichen, geistigen Willen beruhen.     

  

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Das reine Denken ist die Meditation wurde am 28.02.2023 unter Anthroposophie veröffentlicht.

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