Webster Tarpley zur Einführung einer Finanztransaktionssteuer in den USA und Europa – Erstes Anzeichen einer Begrenzung des Wirtschaftslebens durch die Politik


von Ingo Hagel 

Am 26. Jan 2013 berichtete Webster Tarpley in seiner Sendung World Crisis Radio über die Entwicklungen hin zu einer Einführung einer Finanztransaktionssteuer in den USA und Europa:

Es gibt große Ereignisse und Aktionen mit Blick auf die Finanztransaktionssteuer an der Wall Street. Offenbar ist deren Zeit wohl nun gekommen. Es gibt nun weltweit Schub für die Einführung einer Finanztransaktionssteuer. Auch hier in die Debatten in Washington könnte diese große Frage in den nächsten Monaten in einer Art hineingenommen werden, die sich als überraschend erweisen könnte. Die Demokraten suchen nach Wegen, Einkünfte zu erzielen, ohne die Steuern für die arbeitende Bevölkerung zu erhöhen. Dazu ist die Finanztransaktionssteuer der einzige Weg, und er ist relativ einfach und geradeheraus.  …. Daher benötigt dieses Vorhaben alle unsere Aufmerksamkeit. Denn diese Steuer ist genau der Punkt, an dem diese internationalen Finanzcliquen verwundbar sind, und sie sind an dieser Stelle in der Tat äußerst verwundbar.

Und vor allen Dingen gibt es Neuigkeiten diesbezüglich aus Europa. Es gibt elf Länder der Europäischen Union, die ankündigen, dass sie eine Finanztransaktionssteuer einführen werden.  ….  Und dies sind die Länder in Europa, die diese Steuer einführen wollen: Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien, Belgien, Österreich, Portugal, Griechenland, Slowenien, die Slowakei, und Estland. Elf europäische Länder forderten an diesem Dienstag die Finanztransaktionssteuer.

Natürlich ist die Höhe dieser Steuer zu gering und zu unzureichend, dazu ist die geplante Verwendung dieser Gelder nicht immer wünschenswert, es ist sogar im Moment noch nicht einmal klar, wohin das Geld überhaupt gehen soll – natürlich muss es in die Finanzministerien der einzelnen Staaten gehen. Und natürlich – unnötig zu sagen – wir lieben die Pinguine und die Eisbären, aber es kann keine europäische Politik in diese Richtung mit Blick auf die Pinguine und die Eisbären und den Klimawandel gemacht werden, denn man muss an die Menschen denken.

Selbstverständlich steht den Briten der Schaum vorm Mund. Für die Briten ist dieses ein Grund, um den Krieg zu erklären. Die Oligarchen dieser Welt, die Kleptokraten dieses Planeten, versammeln sich in Davos beim Weltwirtschaftsforum, und auch David Cameron hat Schaum vor dem Mund und droht, Europa zu verlassen. Natürlich kann man sich fragen: warum würde das düstere England jemals drohen, die EU zu verlassen, denn das gesamte Vorhaben dieses finsteren Englands besteht doch darin, dieses Europa auszusaugen, vor allem Deutschland, aber eben auch Frankreich und Italien. Denn dieses sind die Länder, die noch eine Industrie haben, die noch irgendeine Art von kleiner und mittelständischer Industrie haben, die Landwirtschaft haben, und die eine wirtschaftliche Aktivität vorweisen können. England hat vor allen Dingen die City of London, aber mehr oder weniger wer es das damit dann auch. Ohne die Einkünfte dieser City of London stünde England finanziell an einem Punkt da, den es im Jahre 1955 oder 1958 eingenommen hat. Natürlich lag De Gaulle richtig, als er England als ein trojanisches Pferd bezeichnet hat innerhalb der Europäischen Gemeinschaft.                   

Anmerkung: Die führende britische Zeitung The Telegraph geht sogar noch weiter: Sie „berichtete am Samstag, dass Großbritannien heute vor “sehr, sehr ernsten Schwierigkeiten steht”. Demnach ist die Wirtschaft im Jahr 2012 überhaupt nicht gewachsen, und Ökonomen der Royal Bank of Scotland setzen sogar noch einen drauf und behaupten, dass die vergangenen vier Jahre die schlechteste wirtschaftliche Leistung produziert hätten. Und zwar nicht erst seit der Nachkriegszeit, sondern seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 1830.“

Unter normalen Umständen – aber das ist nun zehn oder 15 Jahre schon her – wäre meine Politik gewesen: Werft England aus der europäischen Gemeinschaft heraus, sie wollen dort nicht sein, die Oligarchen wollen dort nicht sein, und sie sind einfach nur die Zerstörer und Parasiten  …..

Es ist bemerkenswert, was sich dort lange und zäh hinter den Kulissen abgespielt hat und jetzt möglicherweise Wirklichkeit wird, und dass diese Idee einer Besteuerung von Finanztransaktionen mittlerweile in der europäischen Politik offenbar viele Anhänger gefunden hat. Es wäre zu hoffen, dass eine solche Steuer von möglichst vielen ausländischen Regierungen auf die Umsätze an den illusionären Finanzmärkten eingeführt würde, denn dieses würde in der Tat erstens Geld in die Kassen spülen – nicht der „Not leidenden Banken“ sondern der Not leidenden Menschen in Europa, sofern es für diese verwendet würde. Und zweitens würde es die völlig unsinnigen und ins exorbitante aufgeblähten Finanzjonglagen und -betrügereien an den Börsen reduzieren. Aber das ist nur der eine Punkt, der an dieser Stelle erwähnenswert ist.

Anmerkung: Natürlich darf man sich von dieser Finanztransaktionssteuer nicht zu viel erwarten, denn der Finanzbetrug geht gleich in die nächste Runde:

EZB akzeptiert ESM-Anleihen

Es ist nur eine unscheinbare Notiz, die die EZB auf ihrer Homepage veröffentlicht hat, doch die hat es in sich: Der EZB-Rat hat »die Klassifizierung der Ersten Abwicklungsanstalt (EAA) und des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) als Institutionen mit öffentlichem Förderauftrag« gebilligt, heißt es da. Mit anderen Worten: Der Finanzierung des ESM durch die EZB über den Umweg der Banken hat begonnen.

Das einzige, was helfen wird, ist eben die völlige Entkoppelung und Trennung von (Finanz-) Wirtschaft und Politik (s. auch hier und hier).

Der andere ist ja der, dass es sich, wenn diese Finanztransaktionssteuer tatsächlich in der richtigen Weise durchkäme, es ja sich in der Tat um einen ersten Versuch handeln würde, um die krebsartig wuchernden Auswüchse der Finanzwirtschaft zu begrenzen. Würde dies gelingen, dann müsste dies tatsächlich als ein erster Erfolg angesehen werden, um das geschwürartige Treiben der Wirtschaft durch das Rechtsleben, durch die Politik zu begrenzen. Aber natürlich ist, und das muss man auch sehen, dieses alles nur ein erster aber wichtiger Versuch. Man sieht aber an diesem Versuch, einen durchaus gesunden Impuls dessen, was in einer heilsamen und fruchtbaren sozialen Zukunft der Menschen liegt, nämlich eine Begrenzung des wucherndes Treibens des Wirtschaftslebens durch das Rechtsleben, durch die Politik und das freie Geistesleben.

Ich habe ja immer wieder hier auf Umkreis Online geschrieben, dass das Wirtschaftsleben eben diese krankmachende und krebsartig wuchernde Tendenz hat, alles nur mögliche zur Ware zu machen, sogar das Geld selbst wird zu einer handelbaren Ware gemacht. Auch das Wasser, ein wichtiges Recht der Menschen, wird zur Ware gemacht, wenn man diesem Bestreben der Wirtschaft, das gesamte Leben zur Ware zu machen, nicht Einhalt gebietet aus einem selbständigen und souveränen, wirklichen Rechtsstaat heraus, der nicht mehr nur ein willenloses Anhängsel des Wirtschaftslebens darstellt:

CSU macht Front gegen Wasserpläne der EU – Wasser ist keine Ware sondern ein Recht der Menschen

 

Also: diese krankhaften Tendenzen des Wirtschaftslebens sind einfach da. Man darf dem Wirtschaftsleben deswegen auch keine Vorwürfe machen, denn dieses gehört einfach zum Wirtschaftsleben dazu, dass man dort die ganze Welt unter dem Gesichtspunkt der Warenbildung und des Warenverkaufs und des Warenkonsums ansieht. Wollte man diese Tendenz völlig auslöschen und wollte man den Kapitalismus völlig auslöschen, dann würde man eben das Fruchtbare des Wirtschaftslebens vernichten. Das wäre natürlich eine völliger Unsinn. Darum kann es nicht gehen. Aber es muss das Schädliche dieses immer weiter gefräßig um sich greifenden Wirtschaftslebens verhindert und begrenzt werden.

Dieses kann allerdings nur geschehen, wenn das soziale Ganze einer sozialen Gemeinschaft gegliedert wird in drei völlig selbstständige und souveräne Bereiche: in das Wirtschaftsleben, das Rechtslebens (Politik) und das freie Geistesleben. Denn nur durch die beiden anderen Bereiche des menschlichen sozialen Lebens, nämlich den wirklichen Rechtsstaat und das freie Geistesleben können die Schäden eines immer weiter um sich greifenden Wirtschaftslebens, dass alles zur Ware machen will, geheilt werden. Und wenn diese Idee einer Finanztransaktionssteuer nun wirklich in einer gesunden Weise Wirklichkeit werden sollte, so war dies eben auch den vielen Aktivitäten eines freien Geisteslebens zu verdanken, das sich gegen die Finanzwirtschaft – und gegen die mit ihr verbandelte Politik – aufgelehnt hat. Das muss man schon so sehen. Der Politik musste von dieser Seite aus gewaltig auf die Sprünge geholfen werden.

Und von daher muss man in der Tat sagen – sollte diese europäische Finanztransaktionssteuer Wirklichkeit werden – dass sich in dieser gesetzlichen Regelung ein kleiner Teil dieser Gliederung realisieren würde. Nun müssen eben noch viele andere Dinge realisiert werden, die ebenfalls im Schicksal der europäischen Menschheit liegen, wenn diese Menschen eine lebenswerte Zukunft haben wollen, zum Beispiel dass Arbeit keine Ware mehr sein darf.

 

 

 


Webster Tarpley zur Einführung einer Finanztransaktionssteuer in den USA und Europa – Erstes Anzeichen einer Begrenzung des Wirtschaftslebens durch die Politik wurde am 28.01.2013 unter Politik veröffentlicht.

Schlagworte: , ,